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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Ruppert
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können.«
    Nachdem er das Entlassungsgespräch mit Rosi Schäfer geführt hatte und sie von einem jungen Sanitäter abgeholt wurde, fragte Liz, ob sie nicht auch so einen hübschen Sanitäter bekommen könnte? Für die Rundumversorgung. »Ist doch viel billiger als ein Reha-Aufenthalt.«
    »Aber komplizierter. Du brauchst ja ganz verschiedene Arten von Hilfen, die alle unterschiedliche Abrechnungsnummern haben. Haushaltshilfe, Pflegehilfe, Transporthilfe, Krankengymnastik, Lauftraining. Am praktischsten ist natürlich jemand, der alles zusammen übernimmt. Das wäre dann so etwas wie dein Ehemann. Oder dein Freund. Mit medizinischer Vorbildung. Der würde vielleicht auch noch für Kaffee sorgen können.«
    »Stimmt«, erwiderte Liz. »Dafür brauche ich auch noch jemanden. Ein Freund wäre schon praktisch. Aber ich habe nun mal keinen.«
    »Aber du könntest einen haben.«
    »Kennst du da etwa jemanden?«
    »Hmm.« Simon grinste sie an, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Ganz schlechter Start, wenn einer von beiden gleich so bedürftig ist.«
    »Ganz hervorragende Übung fürs gemeinsame Älterwerden. Wenn man schon mal weiß, wie man einen Rollstuhl aufklappt und wie man ihn am besten schiebt. Nicht zu vernachlässigen ist der Spaß, den man beim Krückenwettlauf haben kann.«
    »Du bist unmöglich!« Liz lachte. »Außerdem arbeitest du hier den ganzen Tag. Ich würde dir vielleicht erlauben, mich einmal pro Woche zu besuchen. Vielleicht auch zweimal. Darüber ließe sich reden.«
    »Du brauchst aber jemanden, der bei dir schläft, falls du nachts etwas brauchst. Der dir etwas zu essen bringt, wenn du Hunger hast, und dich hochhebt, wenn du aufstehen willst. Wenn du es wirklich alleine schaffen willst, brauchst du in der Anfangszeit Rundumbetreuung. Ich könnte mir eine Woche Urlaub nehmen und bei dir einziehen, bis du mit den Krücken zurechtkommst und ich dich ab und zu alleine lassen kann. Um mal kurz einen Tag hier in der Klinik runterzureißen und dich dann wieder auf Händen zu tragen.«
    Er grinste sie an.
    »Du machst Witze.«
    Liz musterte ihn skeptisch.
    »Keineswegs.«
    »Du meinst das ernst?«
    Liz schaute ihn verwundert an. Wie konnte das angehen, er kannte sie doch kaum, auf was würde er sich da einlassen? Aber eigentlich wusste er ja selbst am besten, worauf er sich einließ, zumindest was das Krankheitsbild und ihre Fähigkeiten und Unfähigkeiten betraf.
    »Ich bin verliebt in dich. Ich will in deiner Nähe sein. Überleg’s dir. Und denke nicht, dass ich dich hier entlassen werde, ohne vorher eine festeVerabredung mit dir zu haben.«
    Als er ging, drehte er sich in der Tür noch mal zu ihr um und lächelte sie an.
    »Und ich meine es wirklich ernst, Elizabeth.«
    Er sprach es englisch aus und lispelte dabei so fürchterlich, dass sie lachen musste. Kopfschüttelnd sah sie ihm hinterher.
    Durch das geöffnete Fenster kam eine Brise laue Luft zu ihr hereingeweht, und sie dachte, wenn sie es schaffen würde, auf Krücken zu gehen, dann würde sie üben und üben und so schnell wie möglich raus ins Freie gehen. Sie sah nicht besonders viel Natur von ihrem Bett aus. Im Innenhof des Krankenhauses standen einige Bäume, aber allein diese hatten, seit sie hier lag, so eine üppig belaubte Krone entwickelt, dass sie die Welt da draußen wahrscheinlich kaum wiedererkennen würde. Sie staunte eigentlich jedes Jahr aufs Neue, wie schnell es ging. Erst war alles noch kahl, dann sah man allmählich kleine, lustige Knospen wachsen, und plötzlich drehte man sich um und die ganze Welt war grün belaubt, und man konnte sich gar nicht mehr vorstellen, dass eben noch Winter gewesen war. Jedes Jahr aufs Neue schien sie den Moment zu verpassen, in dem all das geschah, in dem die Knospe sich entfaltete, in dem die Welt plötzlich sommerlich aussah.
    So ähnlich war es mit dem Verlieben. Erst war einfach eine ausgiebige Pause in diesem Ressort angesagt. Dann kam ein kleines Herzklopfen, und dann kam eine kleine innere Freude, sobald er ins Zimmer kam. Und dann wurde sie größer. Und jetzt? Jetzt hatte sie vergessen, wie es war, wenn die Äste kahl waren. Nun rauschte das Laub, und sie war verliebt. Wusste nicht mehr, wie man das Herz schützte in seinem zerbrechlichen Zustand, wie man es besser schonte. Wie man weglief, wusste sie auch nicht mehr. Sie trug gerade sowieso keine Schuhe, die sie daran erinnern könnten.
    Stattdessen verselbständigten sich ihre Gedanken und landeten bei den Bildern, die er beschrieben

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