Wenn nicht jetzt, wann dann?
die
Kleine Mohnblume
Einsam am Wegesrand,
zaghaft blühend in Rot,
inmitten von Staub und Steinen des Weges,
einsam, allein,
doch aufrecht die Blütenblätter
gen Himmel reckend,
Wurzeln suchend in steinerner Erde
so wie die Pilger,
die tage-, wochen- und manchmal auch monatelang
ihre Wurzeln suchen
am Rande des Weges.
9. Tag:
Nájera – Burgos ((5 km), 13. Juni
Heute, aufstehen um 7.30 Uhr, gibt es Frühstück — welch ein Geschenk! Ich nehme ein Croissant mit Marmelade und café con leche zu mir und fühle mich wieder verwöhnt, denn es ist das erste richtige Frühstück, welches ich mir auf diesem Weg leiste. Der Bus nach Burgos fährt um 9.00 Uhr los, 85 Kilometer für 5,25 €, und nach einer Stunde und 45 Minuten erreiche ich den Busbahnhof von Burgos.
Der Weg führte mich per Bus wieder durch Weinberge, aber auch durch viele, lang gezogene Täler mit Getreideanbau und einsamen, verstreuten kleinen Ortschaften, die alle eine Gemeinsamkeit haben: In ihrer Mitte steht eine imposant große und schöne Kirche, die von weitem zu sehen ist. Diese Kirchen variieren in ihrer Bauart und Größe, jedoch sind bei vielen die gemauerten Feldsteine gut zu erkennen. Die Kirchtürme zeigen einen sehr fein ausgebildeten und verzierten, filigranen Glockenturm, dessen Spitze weit über das Land herausragt.
Zwischendurch steigen immer wieder Pilger mit ihren massigen Rucksäcken und ihrem Holzwanderstock oder ihren Walking-Stöcken zu, für die der Busfahrer, der übrigens auch die Fahrkarten ausgibt, bereitwillig die Gepäckklappe des Busses öffnet.
In Burgos angekommen, bleibe ich an der Straßenecke stehen und versuche mich anhand der Schilder erst einmal zu orientieren. Zentrum, Kathedrale, Touristinformation scheint mir richtig zu sein. Nach wenigen Metern stehe ich vor der ersten Pension und ich entscheide mich, gleich nach einem Zimmer für die Nacht zu fragen. 17,00 €, nicht ganz neu, mit einem dunklen und fast unheimlichen Treppenhaus, aber dafür recht sauber mit Blick auf die Straße und die Kathedrale. Leider gibt es kein Waschbecken im Zimmer, aber gegenüber befindet sich das — saubere — Bad. Und eine Extratoilette gibt es auch. Ich entscheide mich für das für die Stadt preiswerte Zimmer und muss, wie gewohnt und von mir nicht so sehr geliebt, sofort meinen Ausweis abgeben. Für die Anmeldung in den Pensionen ist es üblich, dass man den Ausweis abgeben muss, um ihn erst zurückzubekommen, wenn man sein Zimmer bezahlt hat. Da ich dieses als sehr riskant empfinde, zahle ich mein Zimmer sofort und erhalte meinen Ausweis zurück, nachdem ich das mit meinen Personalien ausgefüllte Anmeldeformular unterschrieben habe. Diese Prozedur ist umständlich, und wenn ich müde in der nächsten Stadt angekommen bin, bedeutet es für mich immer wieder eine weitere Viertelstunde des Wartens, bis ich endlich Pause machen kann.
Nach kurzer Stärkung im Zimmer sehe ich mir die Stadt an. Die Kathedrale ist riesengroß, in gutem Zustand und von weitem schon zu sehen, sodass ich mir, daneben stehend, wie eine Ameise vorkomme. Für ein Bauwerk aus dem 12. Jahrhundert, an dem bis zum 15. Jahrhundert weitergebaut wurde, erscheint sie mir wundervoll verziert und in keiner Weise mit der Bauweise unserer nüchternen heutigen Zeit vergleichbar. Ich zahle als Pilger nur einen Euro statt vier, wie normalerweise für die Besichtigung gefordert wird, erhalte meinen Pilgerstempel und beginne mit der Besichtigung. Sogleich bin ich fasziniert von den Details der Baukunst, den bunten Glasfenstern, den Gobelins, Holztruhen und aufwendig in Gold gestalteten Altären. Auch komme ich zu der Überzeugung, dass diese wundervollen schmiedeeisernen Gitter ebenso wie die Fresken und vieles andere heute nicht mehr in dieser Perfektion und Aussagekraft gestaltet werden könnten. Meine Hochachtung für unsere Vorfahren wächst zunehmend, und ich bin der festen Überzeugung, dass sich die Menschen heute in ihrer handwerklichen Kunst eindeutig zurückentwickelt haben. Völlig fasziniert mache ich Fotos und kaufe Postkarten, sitze dann draußen vor der Kathedrale und staune weiter.
Als ich mich jedoch entscheide, in einem umliegenden Lokal mit Blick auf die Kathedrale einen kleinen Imbiss zu mir zu nehmen, staune ich auch, und zwar über die Preise. Sollten meine Beiträge hier eventuell für die fortlaufende Restauration der Kathedrale verwendet werden? Nun, ich sitze wahrscheinlich nur einmal in meinem Leben vor dieser wundervollen Kathedrale,
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