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Wenn nicht jetzt, wann dann?

Wenn nicht jetzt, wann dann?

Titel: Wenn nicht jetzt, wann dann? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Malou
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aus der Pflanzenwelt gezeigt, sodass ich einige mir bekannte Geschichten aus der Bibel wiederfinde.

    Ich stehe staunend da und kann mich von diesem Anblick nicht wieder trennen. Es fasziniert mich die Höhe des gotischen Bauwerks, ich bewundere die geschnitzten Holzbänke, den riesigen vergoldeten Altar. Was für eine Dimension haben diese Kirchen, die in dieser Gegend so reichlich zu finden sind! Wie viele Menschen haben daran seit dem 12. Jahrhundert gearbeitet! Dieser Blick in die Geschichte der Menschheit bleibt spannend.
    Den Rest des Tages verbringe ich in der Stadt und erkunde all das, was mich interessiert, heute vor allem die Geschäfte, in denen ich nach landestypischen Mitbringseln für zu Hause suche. Jedoch ist dieses hier eine europäische Großstadt, in der es vor allem Dinge zu kaufen gibt, die ich aus Deutschland kenne, sodass ich keinerlei Einkäufe tätige. Danach plane und rechne ich, im Straßencafé sitzend, meine weiteren Strecken durch: Ich habe laut Planvorgabe noch elf Etappen vor mir, die zum Teil mit 32 km pro Etappe ausgewiesen sind. Das schaffe ich nie und muss diese ausgearbeiteten Strecken für mich in zwei Etappen aufteilen. Die Zahl der Kilometer bis Santiago de Compostela ist immer noch so hoch, dass ich wieder mit dem Bus fahren muss, um meinen vorgegebenen Zeitplan von vier Wochen einhalten zu können. Nicht umsonst habe ich schon Pilger getroffen, die entweder in jedem Jahr eine kleine Etappe dieses Weges laufen oder z.B. ein Vierteljahr oder aber unbegrenzte Zeit eingeplant haben. Doch nicht für jeden ist das möglich, und so muss ich im Rahmen meiner Möglichkeiten bleiben. Ich entscheide also, morgen wieder eine kleine Etappe mit dem Bus zu fahren, und zwar die verbleibenden ebenen Mesetas, um dann anschließend zu wandern.
    Im Busbahnhof angekommen, erhalte ich Auskunft zu den Busfahrzeiten und bin so mit meiner Tagesplanung für morgen fertig.
    Inzwischen habe ich die Innenstadt mehrfach umkreist und musste mir eine neue Uhr kaufen, da meine Uhr stehen geblieben und nach Auskunft in zwei Juwelierläden nicht mehr zu reparieren war. Danach sitze ich jetzt in der Abendsonne — das Wetter wird offensichtlich besser — und genieße die entspannte Atmosphäre des Feierabends, wenn es alle Spanier mit Kind und Kegel auf die Straßen treibt, in die Restaurants, wo man mit Freunden sitzt und redet, wo die Kinder in den Grünanlagen oder auf dem Spielplatz in der Fußgängerzone herumtollen.
    Zwei Tage Stadt — Burgos und León — waren schön und sehr interessant, aber es fehlt mir jetzt schon wieder die Natur, die Ruhe um mich herum. Im Getriebe der Stadt verliere ich mich, ich fühle mich zugedeckt von Äußerlichkeiten. Zu sich selbst findet man offensichtlich nur allein in der Natur. Das ist für mich eine überraschende Erkenntnis, denn im häuslichen Umfeld habe ich offensichtlich immer »Stadt«, ruhelose Betriebsamkeit im Familienverband, der stets Anforderungen an mich stellt. Wie wichtig es ist, auch als Frau und Mutter Ruhezonen zu finden und diese zu leben, wird mir zunehmend klarer. Ich freue mich, mich morgen wieder selbst in der Einsamkeit zu treffen und meinen Gedanken und Gefühlen Raum geben zu können.

11. Tag:
    León — Hospital de Órbigo (34 km) — Astorga (16 km), 15. Juni

    Heute Morgen bin ich um 7.45 Uhr auf dem Weg zum Busbahnhof, um bis Villadangos del Páramo (21,8 km) mit dem Bus zu fahren. Ich erstehe für 1,30 € mein Ticket und habe dann noch Zeit, um einen café con leche — mein Frühstück — zu mir zu nehmen. Um 8.20 Uhr bin ich am Bussteig 4, wie angesagt, und mein Bus kommt nicht! Dafür spreche ich mit zwei Frauen, Pilgerinnen, die bis Hospital de Órbigo, 16 km vor Astorga, fahren wollen. Da der Bus noch nicht da ist, haben wir Zeit, uns zu unterhalten.
    Eine der Frauen — kurze, graumelierte Haare, Brille, drahtig und freundlich, mit bayerischem Dialekt — erzählt, dass sie seit dem 22. Mai 2007 unterwegs ist. Sie ist am Anfang des Jakobsweges, in St. Jean de Pied de Port, also in Frankreich vor den Pyrenäen, gestartet, hat mit viel Blessuren die anstrengenden Auf- und vor allem Abstiege in Gewitter und Hagel überstanden und ist bisher nur gelaufen. Auch die Mesetas, die Strecke zwischen Burgos und León, haben ihr sehr gut gefallen, denn in Dörfern, die noch aus Lehmhäusern bestehen, scheint die Zeit stillgestanden zu sein, und die Leute leben noch so wie im letzten Jahrhundert. Auch ist sie von der Landschaft, vor allem

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