Wenn nicht jetzt, wann dann?
jeder ist eingebettet in ein Beziehungsgeflecht, das einen tragen sollte, es aber leider nicht immer tut. In schwierigen Lebenssituationen ist auch die Toleranzgrenze bei jedem Menschen unterschiedlich hoch. Das, was für den einen unerträglich ist, kann für den anderen noch völlig in Ordnung sein.
In der gemütlichen Atmosphäre dieses Abends vergehen die Stunden schnell. Immer mehr Gäste brechen auf, doch wir können uns noch immer nicht trennen. Die beiden deutschen Pilgerinnen erzählen Geschichten aus ihrem Leben, sprechen über ihre Beweggründe, zum Jakobsweg aufzubrechen. Eine von ihnen hat als allein erziehende Mutter drei Kinder groß gezogen, hat zudem immer gearbeitet und möchte jetzt, da ihre Kinder groß sind, für sich ein neues, anderes Leben beginnen. Sie wünscht sich Zeit für sich, für die Dinge, die ihr Freude machen, möchte endlich einmal unabhängig ihr eigenes Leben bestimmen.
Ich kann das, was diese Frau sagt, so gut verstehen, geht es mir in vielen Aspekten doch ganz ähnlich! Auch mir ist hier zunehmend klar geworden, dass keiner auf Dauer sein Leben nur so führen kann, wie andere es sich wünschen und vorgeben. Jeder hat auch eine Verantwortung für sich selbst und muss vorerst einmal für sich selbst sorgen. Diese Sätze meiner Tischnachbarin berühren mich, ich finde mich in ihnen wieder und fühle mich verstanden, und das tut mir gut.
Zwischenbilanz
Nun bin ich inzwischen gut eine Woche unterwegs, unglaublich, wie die Zeit vergeht! In dieser Woche habe ich schon eine ganze Menge gelernt, z.B. Rucksack richtig packen und aufsetzen, denn es ist wichtig, dass im Rucksack das Gewicht der Sachen gleichmäßig verteilt ist, sodass man ihn gut tragen kann. Außerdem finde ich inzwischen sofort die Sachen, die ich im Rucksack habe. Ich habe also gelernt, praktisch zu packen, sodass ich nicht täglich alles auspacken muss. Schuhe, Kulturtasche, Nachtzeug befinden sich im unteren Fach, alles andere oben. Die Kleidungsstücke werden gerollt und so verstaut, dass sie möglichst wenig knautschen. Innen, in der Klappe des Rucksackes, lagere ich noch immer die Müsli-Riegel, die ich als Überlebenshilfe von zu Hause mitgebracht habe und die mir so manches fehlende Frühstück ersetzen. Nach ein paar Tagen habe ich übrigens immer noch neue Reißverschlusstaschen in meinem Rucksack gefunden. Außen in der Rucksackklappe trage ich meine Reiseführer, Sprachführer, Papiertaschentücher und alles, was man an persönlichem Kleinkram unterwegs so braucht. Fotoapparat und Handy sind stets in den Hosentaschen griffbereit, und meine Trekkinghandtasche beinhaltet wichtige Utensilien wie meine Geldbörse mit 20 bis 30 Euro und kleine persönliche Gegenstände, Sonnenbrille etc. Peinlich genau achte ich darauf, dass ich meinen Geldgürtel mit Innenreißverschluss, in dem die Geldscheine aufbewahrt werden, immer bei mir habe, ebenso wie meine unter der Hose getragene Bauchtasche, die meine Papiere, Ausweis, Kreditkarte, Pilgerausweis, Auslandskrankenversicherung etc. beinhaltet. Diese Überlebensgegenstände lasse ich nie ohne Aufsicht in meinem Zimmer, da die Zimmer der Preiskategorie, in der ich übernachte, nie einen Safe haben und ich Diebstähle fürchte.
Fast täglich wasche ich nach dem Duschen Kleinigkeiten, Socken, Unterwäsche, T-Shirt, manchmal auch die Hose. Die Sachen hänge ich zum Trocknen in das geöffnete Fenster, und manchmal gibt es auch eine richtige Trockenmöglichkeit. Die heiße Nachmittagssonne ist meine Verbündete, trocknet meine Sachen und hilft mir so, ein wenig Kultur zu wahren.
Auf das Schminken verzichte ich seit dem dritten Tag völlig — keine Zeit, kein Raum, keine Kraft, alles egal. Die Haare trocknet die Sonne.
Die Verpflegung muss ich planen: pro Tag 1,5 Liter, verteilt auf drei 0,5-Liter-Flaschen für unterwegs, vorher abgefüllt mit Mineral- oder Brunnenwasser. Dazu kommen belegtes Baguette und Obst, meist Äpfel, weil die am besten zu transportieren sind. Habe ich mir mal Kirschen gekauft, hänge ich diese, bereits gewaschen, in einer Plastiktüte außen an meinen Rucksack, sodass sie nicht gequetscht werden können. Am Nachmittag muss stets die Verpflegung für den nächsten Tag eingekauft werden, weil die Strecken so einsam sind, dass ich unterwegs im Allgemeinen nichts einkaufen kann, nicht einmal ein Eis. Auch muss ich den Samstag und Sonntag beachten und mich entsprechend bevorraten, was ohne Kühlschrank nicht ganz einfach ist.
Umgangssprache ist
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