Wenn nur noch Asche bleibt
noch kontrollieren?“
Elena schüttelte ungläubig den Kopf. Wie losgelöst von sich selbst eilte sie zur Rumpelkammer, die ihrem Namen inzwischen alle Ehre machte, zog ein dickes, etwa achtzig Zoll langes Brett daraus hervor und hielt es Daniel vor die Nase.
„Der gute alte Klassiker, was?“ Er schien ihre Geste amüsant zu finden. „Du bist ganz schön verspielt.“
„Komm schon“, knurrte sie. „Das ist Hartholz. Wenn du das schaffst, fresse ich einen …“
Das Brett zerbrach mit ohrenbetäubendem Krachen. Verdutzt hielt Elena die beiden sauber getrennten Hälften in den Händen. Sie hatte nicht einmal gesehen, wie er zugeschlagen hatte. Wer in aller Welt war dieser Mann? Oder sollte man besser fragen: Was? Instinktiv trat sie zwei Schritte zurück, als könnte er sich jeden Augenblick in ein Monster verwandeln und zum Angriff übergehen.
„Keine Angst.“ Ein bitterer Zug legte sich um seinen Mund. „Mir wachsen keine Tentakel und ich habe auch kein Interesse daran, dich zu fressen oder deine Eingeweide im nächsten Baum aufzuhängen. Es sei denn, du ärgerst mich.“
„Gut.“ Sie legte die beiden Bretthälften auf das Sideboard und versuchte, nicht zu hyperventilieren. „Das ist sehr gut.“
„Und was sagst du jetzt?“
„Weiß es Smith?“
„Er ahnt es. Dass er mich nie darauf angesprochen hat, rechne ich ihm hoch an.“
„Er hat mir die Sache mit dem Löffel erzählt.“ Vor Elenas Augen begann sich alles zu drehen. „Er hat dasselbe gesehen wie ich gerade. Aber bis vorhin dachte ich, er hätte zu viel gebechert.“
„Denk mal über Folgendes nach.“ Daniel kehrte in den Sessel zurück, schlug die Beine übereinander und blickte in die Nacht. „Wie viel haltet ihr für unmöglich, nur weil ihr glaubt, dass es unmöglich ist? Wozu wärt ihr fähig, wenn ihr diese Grenzen in euren Köpfen einreißen würdet? Sogar das Atmen ist nicht mehr nötig, wenn man lernt, die Körperfunktionen auf ein Minimum herunterzufahren. Auf diese Weise habe ich mal eine knappe Stunde unter Wasser meditiert, ohne Luft holen zu müssen. Ich weiß von Mönchen, die jahrelang wie tot in Berghöhlen saßen. Sie aßen nichts, tranken nichts, bewegten sich nicht. Ihr Herz schlug extrem langsam, ein Atmen war kaum wahrnehmbar. Man hätte sie für tot gehalten. Aber als sie sich entschlossen, ihr Leben wieder aufzunehmen, erfreuten sie sich bester Gesundheit.“
„Von solchen Sachen habe natürlich auch ich schon gehört, aber wozu soll das gut sein?“ Er schenkte ihr ein unsicheres Lächeln. „Manch einer wird glücklich damit, jahrelang in den Bergen zu meditieren. Für mich wäre das nichts. Ich esse zu gern.“
„Du bist absolut durchgeknallt.“
„Und du bist die Jägerin, die den Tiger erbeutet hat.“
Daniels unergründlicher Blick traf sie bis ins Mark. Seine weiche Stimme jagte eine Gänsehaut über den Körper, sensibilisierte ihn ohne Berührung bis in die Haarspitzen. Elenas Finger umklammerten die Lehne des Sessels. Erregung pochte heiß in ihrem Unterleib, angefacht von Verwirrung und der Angst vor dem Unbekannten. Angst vor dem, was er war und tun konnte.
„Er liefert sich dir aus.“ Seine Bewegungen schnurrten vor Anmut, als er sich erhob und auf sie zukam. „Es liegt jetzt in deiner Macht, mit ihm zu tun, was du willst.“
Verdammt, diese Frau war schnell wie eine Schlange. Selbst er, der an seinen Reaktionen bis zur Perfektion gefeilt hatte, war überrascht, als er sich plötzlich auf ihrem Bett wiederfand – noch dazu ohne Shirt, das sie ihm blitzschnell ausgezogen hatte. Klickend schnappten Handschellen um seine Gelenke zu. Elena hatte ihn tatsächlich an das Bettgitter gefesselt. Entgeistert zog er an der Kette, die mit spöttischem Klirren über das Eisen schabte.
„Was soll das? Willst du die Alienjäger anrufen? Die NSA? Van Helsing? Scully und Mulder?“
Wie eine erzürnte Walküre saß sie auf ihm. Hochrot, aufgebracht und verwirrt von dem, was ihr Verstand durchmachte. Dass sie die Flucht nach vorn antrat, wunderte ihn nicht. Ihre Hände ruhten auf seiner nackten Brust.
„Ja, ich habe Handschellen unter dem Kopfkissen“, knurrte sie. „Und? Was sagt das über mich aus?“
„Dass du auf alles vorbereitet bist. Und dass du Männer gern leiden siehst.“
Elena nickte und leckte sich die Lippen. Mit ihren Rehaugen sah sie ihn an, erfüllt von Angst und fatalistischem Mut. Bei allem, was ihm heilig war, am liebsten hätte er sie gepackt und in Besitz genommen.
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