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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Aber dank der Fesseln war das unmöglich.
    „Stimmt wohl.“ Sie spitzte die Lippen. „Ich glaube, es würde mir Freude machen, dich leiden zu sehen. Nach dem, was du mir gerade angetan hast.“
    „Was habe ich dir angetan?“
    „Dafür gesorgt, dass ich an meinem gesunden Menschenverstand zweifle.“
    Er rekelte sich unter ihrem federleichten Gewicht. „Die Wörter gesund und Menschenverstand passen sowieso nicht zusammen.“
    Elena sog scharf die Luft ein. Die in ihr brodelnden Gefühle schienen ihre Empfindsamkeit zu steigern. Einerseits tat es weh zu wissen, dass sie sich vor ihm fürchtete. Andererseits inspirierte es die primitive männliche Seite in ihm.
    „Ich habe Körper und Geist nicht jahrelang trainiert, um mich von Ersterem beherrschen und von Letzterem verführen zu lassen.“ Seine Kehle verdorrte, als er sah, wie sie sich das Schlafanzugoberteil auszog und plötzlich halb nackt auf ihm saß. Verflucht, ihre Brüste waren das Faszinierendste, das er je gesehen hatte. Ein wahres Wunder der Schöpfung. Auf karamellfarbener Seide thronten schokoladenfarbene Knospen, steif und hart, sehnten sich danach, von ihm liebkost zu werden. Frustriert zerrte Daniel an seinen Fesseln.
    „Was bist du?“ Wie ein Adler kauerte sie auf ihm. Ihr scharfer Blick schien ihn zu durchbohren. Sie war eine Furie, eine Harpyie, und der Gedanke, ihr rettungslos ausgeliefert zu sein, gefiel ihm. Wie seltsam. „Bist du ein Mensch?“
    „Ja.“
    „Lügner!“
    „Wie bitte?“
    „Auch ich hatte einen verdammt guten Lehrer, was Schwindel und Wahrheit betrifft. Es gibt winzige Zeichen in der Körpersprache, die jede Flunkerei enttarnen. Aber das weißt du sicher selbst, stimmt’s?“
    „Klar.“
    „Fein. Dann weißt du auch, dass niemand sie beherrschen kann. Nicht mal du. Als du mir geantwortet hast, bist du meinem Blick ausgewichen. Nur ganz kurz, aber ich habe es deutlich gesehen. Außerdem hast du gezwinkert.“
    „So was tut man schon mal.“
    „Aber nicht in diesem Intervall. Du hast entweder gelogen, oder du warst nicht hundertprozentig sicher, ob du die Wahrheit sagst.“
    „Letzteres.“
    „Du bist nicht sicher, ob du ein Mensch bist?“ Sie klang verzweifelt. „Willst du das damit ausdrücken? Daniel! Das kann doch nicht dein Ernst sein.“
    „Elena, wenn ich dir die Wahrheit sage, dann …“
    „Ja?“
    „Dann wirst du mir nicht glauben.“
    „Sag bloß.“
    Sie stieß einen Laut aus, der zwischen einem Knurren und einem Schluchzen angesiedelt war. Hektisch glitten ihre Hände über seine Brust. Immer wieder auf und ab, als müsste sie sich beweisen, dass er echt war.
    „Sag es mir.“ Ein matter Schlag traf seine Schulter. Dann ein zweiter und dritter. „Los, sag mir die Wahrheit. Sag schon! Raus damit! Oder ich probiere jedes einzelne Obstmesser an dir aus.“
    „Langweilig. Da habe ich schon fantasievollere Sachen erlebt.“ Er wackelte mit seiner Hand, an der der kleine Finger fehlte. „Ich durfte wählen zwischen diesem Körperteil und meinem linken Ohr. Übrigens war es auch eine Frau, die die Amputation vorgenommen hat. Sie genoss es. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte ich gar keine Finger mehr.“
    „Das ist doch alles krank.“ Elena sackte in sich zusammen. Ihr Blick wurde plötzlich derart hilflos und verzweifelt, dass sein Mitleid alles andere übertönte. „Die ganze Welt ist krank!“
    „Also gut. Ich will ehrlich zu dir sein.“ Er holte tief Luft. Zuerst wollte er die Augen schließen, doch dann entschied er sich, sie anzusehen. Sie sollte sehen, dass er nicht log. Und während sie auf ihm saß, schön wie eine Amazone und bis in die Grundfesten ihres Verstandes aufgewühlt, erzählte er ihr alles. Marys Tod, seine Reise nach China, der Kristall in der Höhle, seine Ausbildung, die Rückkehr und Moa’ris Geschichte. Er ließ nichts aus, das ihm wichtig erschien, und Elena hörte zu, ohne ihn zu unterbrechen. Zu seiner Verblüffung fühlte es sich gut an, alles herauszulassen. Sie sollte ihn so sehen, wie er war. Er wollte sie nicht mehr belügen. Und er wollte sich nicht mehr belügen. Schließlich, als er endete, schloss Elena die Augen und fasste sich an die Stirn.
    „Du sagst die Wahrheit“, stellte sie fest. „Du sagst … großer Gott.“
    „Ich weiß, es ist schwer zu glauben.“
    „Schwer?“ Sie stieß ein keuchendes Lachen aus. „Schwer? Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts. Dann bist du so was wie ein halber Alien?“
    „Dieses Wort suggeriert eine

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