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Wenn nur noch Asche bleibt

Wenn nur noch Asche bleibt

Titel: Wenn nur noch Asche bleibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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Kugeln bevölkerten Sukkulenten-Blumentöpfe, Fensterbänke und Regale. In den paar Tagen, die sie hier wohnte, hatte sie es geschafft, geschätzte hundert Zeitungen und Bücher auf dem Boden zu verteilen. Dort las sie am liebsten, was zur Folge hatte, dass das schwarze Eichenparkett mit zahlreichen Kaffeeringen verziert war. Ein Frevel, wenn man bedachte, dass sie die Wohnung aus zwei Gründen gemietet hatte: der Ausblick auf den Hafen und das schwarze Eichenparkett.
    „Wolltest du nicht reden?“ Neugierig nahm er eine der Kugeln in die Hand und betrachtete sie, konzentriert wie ein Wissenschaftler, der ein interessantes Artefakt ausfindig gemacht hatte. In seinem schwarzen Anzug ähnelte Daniel einem
Man in Black
. Die Art, wie er die Kugel musterte, verstärkte diesen Eindruck, wobei sein blitzender Ohrring und das unordentliche Haar ihn wiederum abmilderten. „Oder bist du zu müde, um mich zu löchern?“
    „Ganz sicher nicht.“ Das hätte er wohl gern. „Willst du einen Kaffee?“
    Daniels zuvor regloses Gesicht hellte sich auf. „Dazu sage ich niemals Nein.“
    „Ich kann dir allerdings keine aufgebrühte Musangscheiße anbieten. Oder sonst irgendwelche exotischen Kostbarkeiten.“
    „Egal. Hauptsache Kaffee.“ Er legte die Kugel zurück auf die Fensterbank und nahm einen der gerahmten Kornkreise ins Visier. Es zeigte die gigantische, ein gesamtes Weizenfeld einnehmende Darstellung eines Mischwesens aus Mensch und Schmetterling. „Der hier gefällt mir. Er steht für Veränderung und Metamorphose. Die Fühler auf seinem Kopf symbolisieren Feinfühligkeit, die ausgebreiteten Flügel, dass der Geist fliegen lernt. Er befreit sich und steigt auf.“
    „Jetzt geht das schon wieder los.“ Elena ging zum Küchentresen hinüber, setzte Kaffee auf und nahm zwei Tassen aus dem Schrank. „Im Übrigen muss ich dich kritisieren.“
    „Wie bitte?“ In gespielter Empörung starrte er sie an. „Du? Mich? Und was, bitteschön?“
    „Unsere Zeugin schwatzte wie Alice vom Kaninchenbau, und du gießt auch noch Öl ins Feuer ihrer Fantastereien. Das war sehr nützlich.“
    Daniel kniff argwöhnisch die Augen zusammen. Er schien nicht direkt ärgerlich zu sein, aber seine Miene verdüsterte sich um einige Facetten. „Bist du immer so stur?“
    „Nur, wenn ich mit Spinnern zusammenarbeite.“
    „Du hältst mich für einen Spinner?“
    „Ja. Manchmal auch für den Antichrist.“
    „Danke.“ Er grinste zufrieden. „Das streichelt mein Ego.“
    „Jetzt mal im Ernst. Glaubst du diesen Quatsch?“
    „Welchen Quatsch?“
    „Dass wir uns demnächst in die vierte Dimension aufschwingen?“
    „Vom Grundsatz her halte ich vieles für möglich. Oder formulieren wir es anders: Philosophie ist die Suche nach einer schwarzen Katze in einem stockdunklen Zimmer. Theologie ist die Suche nach einer schwarzen Katze im stockdunklen Zimmer und lauthals zu plärren: Ich habe sie!“
    Er ergriff die Initiative, goss Kaffee in die Tassen und fügte für sie Milch und Zucker hinzu. Bemerkenswerterweise genau in dem Verhältnis, wie sie es bevorzugte. Eines musste man ihm lassen – er schien aufmerksam zu sein und achtete darauf, was sie mochte und wie sie es mochte. Bei diesem Gedanken sickerte eine heiße Impulswelle über ihre Wirbelsäule direkt in ihren Unterleib. Ganz sicher betraf seine Aufmerksamkeit nicht nur die Zusammenstellung ihres Kaffees.
    „Aber wenn es geschieht“, fuhr Daniel fort, „hoffentlich nur mit Menschen, deren Bewusstsein genügend erweitert ist. Anderenfalls wäre die neue Welt genauso beschissen wie diese.“
    „Das ist nicht dein Ernst.“
    „An deiner Wand hängen Kornkreisbilder. Willst du mir erzählen, die Welt des Geheimnisvollen tangiert dich nicht?“
    „Sie hängen dort, weil ich sie schön finde. Klar so weit?“ Dieser Mann reizte sie. Auf jede nur erdenkliche Weise, im Positiven wie im Negativen. Ihr analytischer Verstand hatte längst entschieden, dass es fatal war, ihn als Partner zu haben. Leider arbeiteten ihre Gefühle gegen jede Logik. „Es ist mir egal, ob Studenten mit Brettern, zugedröhnte Kängurus oder Außerirdische dafür verantwortlich sind. Ich finde sie schön. Basta.“
    „Wenn du das sagst.“ Daniels Blick gewann etwas Wölfisches. Als wüsste er etwas über sie, das ihr selbst noch nicht klar war. „Aber vielleicht solltest du ein bisschen offener sein. Es gibt Menschen, die behaupten, diese komplexen Muster entstehen, weil Böcke in der Brunft die Ricken im

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