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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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er zart ihr Handgelenk. Sie fuhr zusammen, als sei sein Finger glühendheiß gewesen, und schaute erschrocken in sein mitfühlendes, sympathisch häßliches Gesicht. «Ich glaube, wir sollten uns zum Abschluß auch noch so ein Spezial gönnen», sagte er.
    Sie schaute ihn noch immer ängstlich an. Dann verklärte langsam ein Kleines-Mädchen-Lächeln ihr Gesicht. Sie schob die halbleere Tasse von sich. «Schrecklich gern, Onkel Jocelyn», sagte sie dankbar.
     
    Wie durch ein Wunder hatte der Eisbecher Emma von ihrem Schluckauf kuriert. Sie war wieder imstande, eine normale Unterhaltung zu führen. «Schmeckt nicht so gut wie in Indien», sagte sie. «In Indien sind noch Mangofrüchte drin.»
    Doch keiner hörte ihr zu. Jenny dachte, was für ein hinreißender, verständnisvoller Mensch Onkel Jocelyn doch war. Die ganze Zeit über hatte er gewußt, daß sie viel lieber ein Spezial gehabt hätte, und nun nahm er noch selbst eins, obwohl er sich sicher nichts daraus machte, nur um ihr die Verlegenheit zu ersparen. Jocelyn überlegte verzweifelt, wieviel er - wenn überhaupt - von den Ereignissen dieses Morgens Mayerzählen sollte. Einerseits gab es gar nichts zu erzählen. Andererseits gab es eine ganze Menge. Sollte der Fall damit sein Bewenden gefunden haben, dann wäre Schweigen wohl für alle Beteiligten das beste. Wie stand es aber wirklich damit? Jocelyn war der Meinung, daß das Gefühlsleben eines jungen Mädchens ungefähr so explosiv war wie eine Handgranate. Und heute morgen, das fühlte er instinktiv, hatte Jenny sie abgezogen.
    Gaylord hatte sich unterdessen einen Plan gemacht. Im Augenblick befand er sich noch im Frühstadium, sein Gelingen hing von einer Unzahl von Vorbedingungen ab, zu denen unter anderem gehörte, daß Gaylord einen Sultan treffen und ihn überreden mußte, Emma für seinen Harem zu kaufen. Und da er zugegebenermaßen im Augenblick noch keinen Sultan kannte, war die Sache noch recht unsicher. Doch um Gaylord zu entmutigen, brauchte es mehr als das.
     

4
     
    Gaylord saß an seinem Pult in der Schule tief in Gedanken versunken. Er fing an, sich seines Alters bewußt zu werden, und es gab viel zu bedenken. Emma war jetzt eine Woche bei ihnen; und wenn man sieben ist, kann eine Sechsjährige entsetzlich anstrengend sein. Heute war letzter Schultag. Ab morgen waren Ferien. Damit war ihm sein einziger Fluchtweg abgeschnitten. Der Ausblick in die Zukunft war wahrhaft trostlos. Er hatte Mummi und Paps sogar vorsichtig angedeutet, daß er während der Ferien durchaus ein paar Nachhilfestunden gebrauchen könne. Doch nachdem sie sich von ihrem ersten Schreck erholt hatten, hatten sie seinen Vorschlag mit jenem Zynismus abgelehnt, den er von ihnen allmählich gewöhnt war. Manchmal fragte er sich wirklich, ob sie denn ihrem eigenen Sohn unlautere Motive unterstellten.
    Im Klassenzimmer herrschte eine eigenartige Mischung aus Schläfrigkeit und Aufregung. Die Lehrerin war beschäftigt und hatte den Kindern gesagt, sie dürften lesen. Folglich sahen die Kinder faul zum Fenster hinaus in den sonnenüberfluteten Schulhof und träumten von Ferien am Meer, von sonnigen Stränden, Eimer und Schaufel und von langen Tagen in den herbstlichen Feldern.
    Nur zwei hatten andere Gedanken im Kopf: Gaylord, dessen Meditationen äußerst düster waren - und Henry Bartlett.
    Henry Bartletts auffälligstes Merkmal - ja, eigentlich das einzig auffällige Merkmal - war eine Brille mit großen, runden Gläsern. Dieser Henry nun erhob sich plötzlich, ging durch die Klasse und stellte sich geduldig neben das Pult der Lehrerin, die ruhig weiterschrieb. Henry schluckte: «Verzeihung, Miss...»
    Miss Marston legte den Federhalter hin und blickte in das weiche junge Gesicht. «Ja, Henry?» fragte sie geduldig.
    Wieder schluckte Henry. «Meine Mutter hat gesagt, ich müßte es Ihnen melden», flüsterte er.
    «Was denn, Henry?»
    Henry starrte sie an. Seine Lippen bewegten sich, aber sie vernahm keinen Ton. Und dann fing er plötzlich an, leise vor sich hinzuweinen.
    «Aber Henry, mein Guter, was ist denn los?» sagte Miss Marston.
    Henry gestand es ihr.
    «Was - was hast du da gesagt?» Ihre Stimme klang so entsetzt, daß alle Kinder sofort die Ohren spitzten.
    Henry wiederholte es. Miss Marston saß stumm und regungslos da. Schließlich sagte sie: «Darüber muß ich mit der Rektorin sprechen, Henry.»
    «Ja, Miss», flüsterte Henry niedergeschlagen.
    «Ihr lest so lange allein weiter», sagte Miss Marston und ging

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