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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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diesen geheimen Ort zu führen. Deshalb entschied er sich für Heathcliff.
    Er ging voran bis zu der Viehweide, auf der Heathcliff regungslos stand und die träge schwelenden Gedanken eines Stieres dachte. Sie spähten durch das Gatter. «Er ist wahnsinnig wild», sagte Gaylord.
    «Er sieht aber nicht wild aus», sagte Emma. «Nicht so wild wie ein Tiger.»
    Gaylord war gekränkt. «Wetten, du hast noch nie einen Tiger gesehen.»
    «Wetten, daß. Ganz, ganz viele. In Indien wimmelt es von Tigern.»
    Gaylord kämpfte eine verlorene Schlacht. Wenn bereits Heathcliff verpufft war wie ein feuchtgewordener Knallfrosch, dann war kaum anzunehmen, daß die Kühe und Schafe ihr Bewunderungsschreie entlocken könnten.
    «Na schön», sagte er, «aber ich wette, du würdest trotzdem nicht wagen, auf die Weide zu gehen.»
    «Wetten, daß!» Und damit schickte sie sich an, über das Gatter zu steigen. Gaylord erschrak. Wenn Emma sich gleich am ersten Tag aufspießen ließ, dann war klar, wem sie hinterher die Schuld in die Schuhe schieben würden. Nicht etwa Emma. Auch Heathcliff nicht. Nein. Es wäre nur wieder ein weiterer Punkt, über den er und Mummi verschiedener Meinung sein würden.
    Emma erkletterte unverdrossen weiter das Gatter. Sie zog ihren kurzen Rock hoch und setzte sich rittlings auf den Querbalken.
    «Ich habe rosa Schlüpfer an», verkündete sie.
    Rosa Schlüpfer ließen Gaylord kalt. «Heathcliff beobachtet dich», sagte er beklommen. Aber auch er ließ Emma nicht aus den Augen.
    Emma rutschte an der anderen Seite herunter und tat ein paar Schritte auf der Weide. Heathcliff sah sie mit rotgeränderten, unheilverkündenden Augen an. Und dann trottete er langsam auf sie zu.
    «Emma, komm zurück», schrie Gaylord.
    «Du hast ja bloß Angst», sagte Emma.
    Das war gewiß keine Übertreibung. Es war keine Zeit mehr, Hilfe zu holen. «Er ist drauf und dran, dich aufzuspießen», schrie Gaylord. «Komm zurück, Emma! Bitte! »
    Emma blieb, wo sie war. Und da dachte Heathcliff plötzlich, ach, was soll’s, drehte ab und begann friedlich vor sich hin zu grasen. Gaylord sah das mit den gemischten Gefühlen der Erleichterung und der Verachtung.
    Emma schaute noch einen Augenblick auf den Stier. Dann kletterte sie über das Gatter zurück. «Siehst du», sagte sie triumphierend. «Ich hab dir ja gleich gesagt, er ist nicht so wild wie ein Tiger.»
    Gaylord begriff jetzt, was Opa meinte, wenn er sagte: «Trau nie einem Stier, mein Junge!» Heathcliff hatte ihn verraten, ihn dem Gegner ausgeliefert. Natürlich hatte Gaylord nicht gewollt, daß er seine kleine Kusine auf spießen sollte. Aber er hätte doch wenigstens so tun können als ob. So aber bestand kein Zweifel mehr, daß Emma die erste Runde nach Punkten gewonnen hatte, wenn nicht sogar mit einem klaren k. o. Gaylord niedergeschlagen.
    Jetzt gab es nur noch eine interessante Sache: seinen Freund Willie.
    Willies Ruhm beruhte auf dem Umstand, daß er nicht alle Tassen im Schrank hatte. Gaylord empfand das als einen besonders faszinierenden Zug an Willie. Und die Tatsache, daß Mummi, die nach Gaylords Meinung weder Tod noch Teufel fürchtete, vor Willie Angst zu haben schien, verlieh ihm eine ganz besondere Anziehungskraft. «Möchtest du meinen Freund Willie kennenlernen?» fragte er.
    «Wie ist der?»
    «Er hat nicht alle Tassen im Schrank, und ich habe gehört, wie Mummi zu Paps gesagt hat, er wäre ein poten... Dingsbums-Mörder.»
    «O ja, bitte!» sagte Emma.
    Doch als sie zum alten Steinbruch kamen, in dem Willie so mühelos wie die Bäume und Steine seine Zeit mit Nichtstun verbrachte, wurde Emma herb enttäuscht. Willie sah gar nicht aus wie ein poten... Dingsbums-Mörder. Seine Stimme war sanft, sein rundes, bleiches Gesicht so unschuldig wie der Vollmond. «Hallo, Gaylord», sagte er und lächelte freundlich.
    «Hallo, Willie», sagte Gaylord. «Das ist Emma.»
    Emma starrte Willie an. Willie schaute zu Boden und kratzte sich am rechten Bein. «Emma kommt aus Indien», erklärte Gaylord.
    Das schien aber Willie nicht weiter zu beeindrucken. Er konzentrierte sich ganz darauf, sich am Bein zu kratzen. Gaylord erkannte, daß auch diese Begegnung ihm keinen Prestigeerfolg brachte.
    «Wir müssen jetzt gehen, Willie», sagte er. «Zeit ins Bett zu gehen», setzte er dankerfüllt hinzu. Sie trollten sich.
    «Ich denke, du hast gesagt, er wäre so wild», sagte Emma voller Verachtung.
    «Manchmal ist er’s», sagte Gaylord. Es klang nicht sonderlich

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