Wenn Tote schwarze Füße tragen
vergessen?“
Er reißt die Augen weit auf, daß es
nur so eine Freude ist. Er war wohl früher einmal Laienschauspieler. Jedenfalls
macht er es nicht schlecht.
„Nein, den habe ich nicht vergessen,
aber ich sehe keinen...“
„Sie sehen heute überhaupt nicht gut,
Dorville! Sie sollten sich ‘ne Brille verschreiben lassen! Ich will Ihnen die
Augen öffnen. Der Geldschein ist mir geklaut worden, damit ich ihn mir nicht genauer
ansehen kann. Es müssen ihm nämlich noch andere Hinweise zu entnehmen sein als
die Buchstaben O A S. Da wir diese möglichen Hinweise aber nun nicht gesehen
haben, müssen wir uns mit Schlußfolgerungen begnügen. Ich will’s Ihnen
erklären. Der Schein ist ziemlich genau zu der Zeit ausgegeben worden, als die
Männer in Algier festgenommen wurden. Warum sollte der Schein nicht zu dem
Bündel gehören, das der Verräter für seinen Verrat erhalten hat? Ein hübsches
Bündel nagelneuer Geldscheine, frisch aus der Presse der Französischen
Nationalbank, sozusagen eigens für diesen Zweck gedruckt! Das wäre natürlich
ein lustiger Streich seiner ,Auftraggeber’, aber gewisse Geheimorganisationen
haben einen eigenartigen Humor. Ein Gelegenheitsagent wird nur ein einziges Mal
eingesetzt. Danach soll er Zusehen, wie er zurechtkommt. Wissen Sie, eine große
Summe in neuen Scheinen, das ist wie ein Klotz am Bein... Aber kommen wir
wieder auf unseren ,Bonaparte’ zurück. Irgendwann hatte Agnès, wie wir wissen,
die Banknote in der Hand. Vorausgesetzt allerdings, sie war es tatsächlich, die
mit einem Lippenstift die Buchstaben O AS draufgekritzelt hat. Ich glaube, Sie
sind sich dessen aber nicht ganz so sicher, oder?“
„Nein, ich nicht. Aber Dacosta ist
vollkommen davon überzeugt. Immerhin kann er es am besten beurteilen...“
„Immerhin, ja. Nehmen wir also an, daß
es Agnès’ Handschrift ist.“
„Da gibt es noch die Adresse auf dem
Umschlag. Also, ich weiß nicht... Agnès hat sie nicht geschrieben. Wie erklären
Sie sich das?“
„Ich erkläre mir gar nichts.
Vielleicht wird es eines Tages ans Licht kommen... Also, Agnès hatte den Schein
irgendwann in der Hand. Woher stammte er? Aus der Brieftasche ihres Freundes
oder, wenn Sie sich eine Sammlung von Freiern zugelegt hat, aus der Tasche
eines ihrer Freunde. Wie ist es zu erklären, daß sie das Ausgabedatum markiert
hat? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur eins: das Datum ist rot markiert.“
Dorville räuspert sich.
„Dann... dann wäre das also der
springende Punkt?“
„Als wenn Sie das nicht wüßten!“
Er schweigt verlegen und sieht mich
an. Ich bohre weiter: „Kommen Sie, hören Sie auf, mich an der Nase
herumzuführen! Sie haben mich nicht engagiert, um Agnès zu finden, sondern um
an die Beute heranzukommen, stimmt’s?“
„Nun mal langsam!“ protestiert er beleidigt.
Er kommt einen Schritt näher, klammert
sich an eine Stuhllehne wie an die Schranke in einem Gerichtssaal und beugt
sich zu mir vor.
„Nicht die fünfzig Millionen oder das,
was davon noch übrig ist, interessieren mich, sondern der Judas, der sie bekommen
hat! Allerdings...“ Er lacht. „Nachdem ich ihm die Tracht Prügel verpaßt haben
werden, die er verdient hat...“
„Nur eine Tracht Prügel?“
„Natürlich! Ich bin doch nicht
verrückt. Ich würde ihn am liebsten umbringen, aber warum sollte ich wegen so
einem Schwein das Schwurgericht beschäftigen? Nachdem ich den Kerl also
verprügelt haben werde, könnte es durchaus sein, daß ich ihm das Geld abnehme,
falls sich die Möglichkeit dazu ergibt. Stört Sie das?“
„Mich nicht, aber warum wollen Sie das
tun? Auf krummen Touren erworbene Schätze machen einen nicht glücklich, glauben
Sie mir!“
„Tja... Das gilt doch aber für ihn
genauso wie für mich, oder?“
„Halten Sie es, wie Sie wollen! Wir
wollen uns doch nicht um die Richtigkeit einer Lebensweisheit streiten.“
„Sie haben recht. Außerdem wird der
Judas die Silberlinge in Mobilien und Immobilien angelegt haben.“
„Ganz und gar nicht! Der Beweis ist
der Zehntausender, der noch in Umlauf ist. Und ich wiederhole: Fünfzig alte
Millionen Francs in neuen Scheinen — falls es wirklich fünfzig Millionen waren
— sind eher ein Klotz am Bein. Dazu kommt noch, daß diese widerlichen Typen,
die für Geld Vater und Mutter umbringen würden, wie die Geizkragen am Geld
hängen. Sie können sich gar nicht satt daran sehen.“
Mit einer wegwerfenden Handbewegung
wischt Dorville meine Überlegungen vom Tisch und
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