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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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ich. „Die surrealistische Methode. Verbalautomatismus. Automatisches
Sprechen. Man sagt irgend etwas und sucht hinterher erst den Inhalt zu deuten.
Manchmal findet man etwas, manchmal aber auch nicht. Wie dem auch sei, es war
richtig von Ihnen, Dacosta nichts von Ihren Vermutungen mitzuteilen, ob er nun
unschuldig und Agnès seine Tochter ist oder nicht. So apathisch er auch ist, er
hätte dennoch kapiert, daß Agnès keine andere Möglichkeit hatte, ihrem Vater
eine Botschaft zukommen zu lassen, als durch die Banknote. Das heißt, daß sie
sich nicht mehr frei bewegen konnte. Begreifen Sie, was diese Hypothese
impliziert?“
    „Kidnapping, fürchte ich.“
    „Kidnapping? Warum so bescheiden?
Solch eine zuvorkommende Behandlung können wir nicht mehr erwarten, nachdem ich
Christine Crouzait bei ihrer Trapeznummer gesehen habe. Die Friseuse ist doch
nicht einfach nur so zum Spaß aufgeknüpft worden! Sie haben kaum noch eine
Chance, Agnès lebend wiederzusehen, mein Lieber!“
    Dorvilles Gesicht gleicht einer Maske,
seine Augen sind schwärzer denn je. Er sieht mich schweigend an, dann fangen
seine Lippen an zu zittern, und er faucht einige Worte auf arabisch. Hört sich
nicht sehr freundlich an.
    „Deswegen“, fahre ich fort, „habe ich
eben in so einem komischen Ton ,ja’ gesagt. Ich glaube, daß wir Agnès nur kalt
und stumm zu Gesicht bekommen werden. Sie hat den Verräter entlarvt, und er hat
ihr den Mund für immer gestopft. So wie er es mit Christine gemacht hat, weil man
ihm auch durch sie auf die Spur hätte kommen können. So ist das!“
    „Verdammt“, murmelt Dorville. „Das
kann gut sein.“
    „Allerdings, und mehr als das.“
    Entmutigt läßt er, wie unter einem
immensen Gewicht, die Schultern hängen.
    „Dann... dann ist das also jetzt ein
Fall für die Polizei. Wir müssen aufgeben.“
    „Aufgeben? Entschuldigen Sie, aber
wenn Sie die Sache Algeriens nicht hartnäckiger verteidigt haben, dann verstehe
ich, warum es in Evian enden mußte! Ich jedenfalls gebe nicht auf. Im
Gegenteil. Ich habe zwar nicht den Ehrgeiz, Kunden für die Guillotine zu
rekrutieren, aber bei unserem sauberen Verräter werde ich eine Ausnahme machen.
Auch für Schweinereien gibt es Grenzen! Einerseits die Flics, andererseits
ich... Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn er ungestraft davonkäme.
Apropos Flics: Jetzt, da sie ins Geschehen eingreifen, werden sich unsere Wege
zwangsläufig kreuzen. Das paßt mir nicht, aber ich möchte ausgerechnet in
meiner Geburtsstadt keinen Rückzieher machen. Vor allem wegen der anderen Zeitgenossen,
die sich um mich herum bewegen und sich über mich lustig machen: der Späher von Petit-Chêne, der Kerl, der mir die Banknote geklaut hat und die Blondine
in dem Minirock.“
    „Großer Gott!“ seufzt Dorville
lächelnd, aber etwas blaß um die Nase. „Sie vergessen aber auch keinen, was?“
    „Doch, ich glaube, ich habe jemanden
vergessen. Ich weiß im Moment noch nicht wen, aber ich werd’s schon
rauskriegen... Und jetzt können Sie Dacosta anrufen. Übrigens, was diese
Reliquie betrifft... Alles, was von Agnès’ Kostüm noch übrig ist, hilft uns in
keinster Weise weiter. Werfen Sie den ,Schnippel’, wie man hier sagt, in den
Müll!“
    Wir verabschieden uns. Mir bleibt von
unserer Unterhaltung ein übler Nachgeschmack zurück. Es ist immer traurig, von
jemandem enttäuscht zu werden, dem man seine Sympathie entgegengebracht hat.
Dieser Dorville ist nicht besser als alle andern. Geld! Die ewigen Moneten! Das
verdammte goldene Kalb! Dorvilles Erklärungen ändern nichts daran, daß er nur
ein einziges Ziel hat: sich die Judas-Silberlinge unter den Nagel zu reißen,
wer immer der Verräter war, Dacosta oder ein anderer. Und mich wollte er dazu
benutzen, um an den Kerl heranzukommen! Aber so schwer hatte er sich’s bestimmt
nicht vorgestellt.
    Als ich ins Littoral komme,
sitzt wieder nicht mein ehemaliger Mitschüler Bruyèras an der Rezeption. Sein
Kollege erinnert mich aber dennoch an ihn und, durch eine Gedankenkette, an den
Mann, an den ich eben bei Dorville flüchtig denken mußte und der sich in einem
Winkel meines Unterbewußten festgesetzt hat. Vor einer Woche gab es noch keine
verschwundene Agnès in dieser friedlichen Stadt. Zur gleichen Zeit logierte
jemand umsonst, wie alle behaupten, im Princess, auch wenn er Ware im
Wert von mehreren tausend Francs zurückgelassen hat. Ich kenne mich aus mit
Zechprellerei. Schließlich habe ich diesen Sport vor sehr

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