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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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langer Zeit einmal
selbst betrieben. An diesem Fall aber ist etwas faul, wenn ich mich nicht irre.
    Der Portier gibt mir, zusammen mit
meinem Zimmerschlüssel, einen Umschlag, den eine Dame für mich abgegeben hat.
Eine weitere Dame und ein Herr hätten angerufen, teilt mir der Mann mit. Beide
würden wieder anrufen. Die Dame habe ihren Namen nicht genannt, aber der Herr
heiße Delmas.
    Ich öffne den Umschlag. Es ist ein
Briefchen von meiner Tante. Sie war heute nachmittag zum Einkaufen in der Stadt
und hat bei der schönen Mireille reingeschaut, um ihr zu sagen, daß ich in
Montpellier sei. Außerdem „hat Mireille den Artikel im Echo gelesen und
‚erwartet’ Deinen Besuch. Du wohnst ja sehr vornehm hier im Littoral ,
mein lieber Neffe! Viele Grüße“ usw.
    Oben in meinem Zimmer lasse ich mich
mit Paris verbinden.
    „Hallo, meine kleine Maus“, sage ich
zu Hélène Chatelain, meiner Sekretärin, als ich sie an der Strippe habe. „Ich
hab Arbeit für Sie alle! Sagen Sie Za...“ — Za, das ist Roger Zavatter, einer
meiner Mitarbeiter — „...er soll nach Montpellier kommen und im Littoral absteigen. Er soll irgendeinen Phantasieberuf angeben. In einer Stadt wie
dieser würde die Anwesenheit zweier Privatflics aus Paris nämlich Staub
aufwirbeln. Verstanden? Sie können ihn gerne begleiten, wenn es Ihnen Spaß
macht. Ich brauche Sie zwar hier im Moment nicht unbedingt, aber Ferien sind ja
auch was Schönes... Also, dann, bis bald, meine kleine Maus! Im Littoral, Zimmer 83.“
    Ich lege auf. Ein schönes Paar: Roger
Zavatter, der elegante Stutzer, und Hélène Chatelain, die kleine Maus. Die
perfekte Tarnung!
    Schmunzelnd nehme ich den Hörer wieder
auf und rufe die Hotelrezeption an. Ich möchte, daß man mir Gérard hochschickt.
Einen Moment später betritt der Page mein Zimmer.
    „Hör mal, Kleiner, hast du was von
Bruyèras gehört?“ frage ich ihn.
    „Ja, M’sieur. Er ist wieder völlig auf
dem Damm. Heute abend wird er wieder zur Arbeit erscheinen.“
    „Gut...“
    Ich drücke ihm einen Geldschein mit
Voltaires Konterfei in die Hand.
    „Hier, tu das in deine Sparbüchse.“
    „Danke, M’sieur.“
    Er steckt den Tausender in die Tasche
seiner betreßten Hose. Und da er weiß, daß es auf Erden keine reine
Menschenliebe gibt, erkundigt er sich mit lauernder Miene:
    „Und was soll ich jetzt tun?“
    „Ein Treffen mit deinem Kollegen vom Princess arrangieren. Du weißt schon, mit dem, der den Koffer des Zechprellers an Land
gezogen hat. Ist das machbar?“
    „Klar! Wollen Sie Fernand einige
Exemplare abkaufen?“
    „Mal sehen. Auf jeden Fall soll es
sein Schaden nicht sein, wenn er sich zu einem Gespräch bereit erklärt. Wann
wäre das möglich?“
    „Im Laufe der Nacht, ginge das?“
    „Hervorragend! Aber Mund halten, ja?“
    „Natürlich, M’sieur.“
    Eine gegenteilige Antwort hätte mich
überrascht, doch ich bin mir nicht sicher, ob er sein Versprechen halten kann.
Er ist ein unbefangener Junge, einer, der einfach so drauflos quatscht, ohne
viel zu überlegen. Zum Beispiel hat er nicht darauf gewartet, daß Delmas sich
die Gästeliste des Hotels ansehen würde, sondern ihn direkt von meiner
Anwesenheit im Hotel benachrichtigt. Ich bin ihm deswegen nicht böse; Delmas
ist sympathisch und kann mir vielleicht sogar recht nützlich sein, aber
trotzdem...
    Plötzlich schießt mir ein Gedanke wie
eine Erleuchtung durch den Kopf. Es war nicht Bruyèras, den ich neulich nachts
in meinem Zimmer erwischt habe. Wenn ihn das Verlangen überkommen hätte, in
meinen Sachen zu wühlen, dann hätte er nicht bis zum frühen Morgen warten
müssen, sondern wäre direkt in mein Zimmer gegangen, nachdem ich mit Dorville
weggefahren war. Dagegen ist es durchaus möglich, daß einer, der die ganze
Nacht damit zugebracht hat, mit seinen Freunden herumzusaufen...
    Gérard hat schon die Tür geöffnet und
will gehen. Ich halte ihn am Arm zurück, schließe die Tür wieder und schubse
den Pagen auf einen der Sessel.
    „Moment, Kleiner!“ sage ich. „Mund
halten, natürlich, M’sieur! Von wegen! Du mußt ein ziemlich loses Mundwerk
haben, auch wenn man sich das im Hotelfach abgewöhnen sollte. Sag mal,
Dienstagabend oder, besser gesagt, Mittwochmorgen, na ja, in der Nacht eben,
als du den späten Gästen die Lage Whisky aufs Zimmer gebracht hast... Erinnerst
du dich? Du hattest schon ein wenig Schlagseite und warst ganz hin und weg,
weil du einen leibhaftigen Privatdetektiv kennengelernt hattest. Nicht

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