Wenn Tote schwarze Füße tragen
erzählt,
daß ich sie seit etwa einem Monat nicht mehr gesehen habe, seit ich krank bin.“
„Genau. Und außer Monsieur Dorville
ist niemand bei Ihnen gewesen, um Ihnen Fragen zu stellen? Gestern zum
Beispiel?“
„Nein, niemand.“
„Gut. Dann haben Sie vielen Dank. Ich
glaube, das wäre alles. Nur noch... Sagen Sie, wenn Sie von Dacosta reden, wenn
Sie seinen Namen aussprechen, dann scheint es so, als hätten Sie irgend etwas
gegen ihn. Verstehen Sie sich nicht gut mit ihm?“
Sein Gesicht verschließt sich.
„Ich? Wie kommen Sie darauf, Monsieur?
Wir verstehen uns blendend.“
„Wie schön! Ich habe nur gedacht...
Hat es da in Algerien nicht irgend etwas gegeben?“
Das Gesicht wird noch verschlossener.
„Davon weiß ich nichts.“
Insistieren zwecklos. Ich bedanke mich
noch einmal und verabschiede mich.
Am Steuer meiner geliehenen Dauphine,
die Oberschenkel auf dem heißen Sitz, beschließe ich, nach Saint-Jean-de-Jacou
weiterzufahren. Ein Wegweiser weist mich darauf hin, daß ich bereits auf halbem
Wege dorthin bin.
Es ist eins von diesen expandierenden
Nestern mit einem Komplex von Sozialwohnungen, die an der Peripherie gebaut
werden. Ich erkunde zwei, drei Bistros sowie das Postamt, auf dem ich einem
Angestellten den Umschlag, den Dacosta erhalten hat, unter die Nase halte und
ihn frage, ob er die Handschrift identifizieren könne. Fehlanzeige. Die beiden
Papierhandlungen, denen ich als nächstes einen Besuch abstatte, bieten ein
ganzes Lager von Briefumschlägen an, jedoch keinen der Marke Fix. Man
verweist mich an Mutter Ténalous, die Kurzwarenhändlerin. Bei ihr könne man
alles bekommen, sagt man mir. Aber leider, leider, sei heute Donnerstag. Und
donnerstags schließe Mutter Ténalous ihren Kramladen, um sich ihren Großneffen
zu widmen, die in einem Nachbardorf wohnen. Ich vergesse den Tip, der mir auf
sehr wackligen Beinen zu stehen scheint.
Da es schon nach Mittag ist, esse ich
eine Kleinigkeit auf der Rückfahrt, und zwar in Celleneuve, meinem Heimatdorf,
an dem Platz mit den Platanen, den eine Statue der Göttin Hekate schmückt.
Danach geht es in Richtung Institution Sévigné.
Mademoiselle Bouzignes, die
Schuldirektorin, ist sehr hilfsbereit, kann mir aber außer den üblichen
Banalitäten nichts Wichtiges über ihre Schülerin erzählen. Auf meine Frage nach
der Garderobe des Mädchens erhalte ich die Antwort, die ich erwartet habe.
Agnès sei stets ordentlich gekleidet. Keine Miniröcke, keine Op-art-Kleider?
Oh, Monsieur, das würden wir nicht erlauben! Sehr richtig, Madame. Vielen Dank,
Madame.
Nun ist die Reihe an Roger Mourgues,
dem Nachbarn von Dacosta. Ich hätte mir den Weg in die Rue de Montferrier sparen
können. Der Junge kann mir nicht den leisesten Hinweis geben. Er hat Agnès seit
Monaten nicht mehr gesehen.
Da ich schon mal in der Gegend bin,
schaue ich nach, ob der mysteriöse Späher von gestern seinen Posten wieder
eingenommen hat. Hat er nicht. Keine besonderen Vorkommnisse, wie die
Aktivisten von der O.A.S. gesagt hätten. Keine besonderen Vorkommnisse.
K.B.V.... O.A.S.... Ich wiederhole die Buchstaben, bis sie keinen Sinn mehr
ergeben. Aber Agnès hat nicht K.B.V., sondern O.A.S. auf die Banknote gekritzelt.
K.B.V. würde auch gar nicht zu ihrer Situation passen. Herrgott nochmal! Der
Fall ist sowieso schon undurchsichtig genug. Machen wir’s nicht noch
schlimmer...
Eigentlich könnte ich auch noch gleich
Dacosta guten Tag sagen. Aber ich wüßte wirklich nicht, warum.
Zurück in der Stadt, sehe ich in der
Rue Bras-de-Fer nach dem Rechten. Alles ist friedlich und still. Man sollte
nicht meinen, daß bald eine weibliche Leiche in Seidenstrümpfen die Ruhe der
Bewohner dieses Viertels stören wird. Alle gehen brav ihren
Alltagsbeschäftigungen nach. Und irgendwo, ich weiß nicht, in welchem
Stadtviertel, haben die Flics wegen der Hitze die Jacken ausgezogen, sitzen mit
ihren dicken Hintern auf einem Stuhl und trinken kühle Getränke. Es wird Zeit,
sie daran zu erinnern, daß die Steuerzahler sie nicht bezahlen, damit sie
herumfaulenzen.
In einem Bistro lasse ich mir ein
Telefonbuch geben und stelle fest, daß die Ladenbesitzerin, die auch Käfige für
Hausgrillen verkauft, Telefon hat. Ich gehe in die Kabine und rufe zunächst
meinen neuen Freund Gabriel Delmas an.
„Hören Sie zu“, überfalle ich ihn,
„und bitte keine Namen! Ich hab vielleicht schon was für Sie. Antworten Sie mit
Ja oder Nein. Kennen Sie die Rue
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