Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Hause schläft, wenn sie
also — nennen wir’s ruhig beim Namen! — die Bezahlung ihrer Garderobe regelt,
geht sie am nächsten Morgen zu ihrer Umkleidekabine. Am letzten Mittwoch gab es
eine Programmänderung. Agnès kam morgens nicht in die Rue Bras-de-Fer. Ob sich
die Friseuse Sorgen machte, wissen wir nicht. Sie kann es uns ja nicht mehr
sagen. Es ist aber anzunehmen, daß dem Mädchen Ihr Besuch am Freitag nicht
gefallen hat. Agnès seit mehreren Tagen verschwunden! Christine wurde es
unbehaglich zumute. Sie machte nicht mehr mit. Auch wenn sie Ihnen nicht die
ganze Wahrheit gesagt hat, so doch einen Teil. Sie wollte mit Agnès’
Geschichten nichts mehr zu tun haben. Und damit Sie keine Spuren des
Umzieh-Manövers bei ihr finden würden, falls Sie noch einmal zurückkämen, hat
sie das Kostüm verbrannt.“
    „Warum hat sie nicht auch die andern
Kleider verbrannt, die Ihnen zufolge ebenfalls Agnès gehören?“
    „Agnès Vater weiß nicht, welche
Kleider seiner Tochter gehören. Nur das graue Kostüm mit den blauen Streifen,
das kennt er.“
    Dorville wiegt den Kopf hin und her.
Er zündet sich eine Zigarette an.
    „Hören Sie“, sagt er, während sich der
Rauch seiner Zigarette mit dem meiner Pfeife vermischt, „es ist zwar
bedauerlich, daß Christine sich umgebracht hat — vor allem für sie selbst — ,
aber es handelt sich doch nur um ein zufälliges Zusammentreffen von
Ereignissen. Es beweist lediglich, daß die Friseuse verrückt war. Und weil sie
verrückt war, hat sie das Kostüm verbrannt. Ich glaube einfach nicht, daß ihr
Selbstmord irgend etwas mit Agnès’ Verschwinden zu tun hat.“
    „Genau das ist der Haken an der Sache!
Ich meinerseits glaube nämlich nicht, daß es Selbstmord war.“
    „Wie bitte?“
    Um ein Haar wäre auch Dorville
erstickt.
    „Sie haben doch selbst gesagt, daß
es... daß sie... sich aufgehängt hat.“
    „Aufgehängt, ja. Aber das muß nicht
notwendigerweise heißen, daß sie es selber getan hat. Ebensogut kann sie von
jemand anderem stranguliert worden sein.“
    Dorville fragt mich nicht, worauf
meine Annahme basiere. Er brummt nur:
    „Selbstmord oder Mord, was ändert das
schon? Mit Agnès und ihrem Verschwinden hat weder das eine noch das andere
etwas zu tun. Auch wenn wir annehmen, daß Christine umgebracht wurde... Nach
der Ansichtskarte zu urteilen, die Sie in ihrem Briefkasten gefunden haben,
pflegte sie zweifelhaften Umgang...“
    Er legt den Stoffetzen auf den Tisch
und nimmt die Karte in die Hand, dreht und wendet sie hin und her.
    „Alles Strolche und Halunken, wenn ich
das richtig sehe. Bei solchen Leuten ist alles möglich.“
    Ich nehme ihm die Ansichtskarte aus
der Hand und lasse sie in meiner Tasche verschwinden.
    „Auf jeden Fall“, sage ich, „sitzt
Dacosta in der Klemme. Wenn die Flics ein Verbrechen vermuten, werden sie
aktiv. Und bei ihren Ermittlungen wird irgendwann der Name Agnès auftauchen.
Dann werden die Flics zu Ihrem Freund marschieren, und der wird sein blaues
Wunder erleben, wenn sie herauskriegen, daß er das Verschwinden seiner Tochter
geheimgehalten hat. Es sei denn, er tischt ihnen ein erstklassiges Märchen auf.
Daß sie sich bei Verwandten erhole, zum Beispiel. Sollten die Flics aber
unbedingt darauf bestehen, Agnès wegen des Todes ihrer Freundin zu vernehmen,
dann können Sie sich ja vorstellen, was passiert, oder? Bleibt also zu hoffen,
daß die Flics nicht die leiseste Verbindung zwischen Agnès und Christine
entdecken. Vielleicht hat jemand deshalb sämtliche Schreibtischschubladen in
der Rue Bras-de-Fer leergeräumt.“
    „Wir sollten Dacosta Bescheid sagen,
meinen Sie nicht?“
    „Das wäre nicht das Schlechteste.“
    „Ich rufe ihn sofort an und sage ihm,
daß ich vorbeikomme. Fahren Sie mit?“
    „Nein. Ich habe noch in der Stadt zu
tun. Der junge Mann, dem ich einen Logenplatz in der Nähe der Flics verschafft
habe, kann mir vielleicht schon interessante Neuigkeiten mitteilen.“
    Dorville steht auf und geht zum
Telefon. Als er den Hörer schon in der Hand hält, zögert er plötzlich. Er
scheint in tiefschürfende Überlegungen zu versinken.
    „Verdammt und zugenäht!“ murmelt er
vor sich hin. „Wenn es aber nun doch kein Zufall ist, wenn es doch einen
Zusammenhang mit Agnès’ Verschwinden gibt... Was hat das dann zu bedeuten?“
    So langsam geht es mir auf die Nerven,
wie er den Dorftrottel spielt.
    „Seien Sie nicht kindisch!“ schnauze
ich ihn an. „Haben Sie den Zehntausender

Weitere Kostenlose Bücher