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Wenn Tote schwarze Füße tragen

Wenn Tote schwarze Füße tragen

Titel: Wenn Tote schwarze Füße tragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Schreibunterlage, Notizbücher, Schreibpapier,
Briefumschläge (selbstklebend), kurz, alles, was man zum Schreiben braucht.
Doch weit und breit kein Telefon! Nur den Anschluß dafür entdecke ich in der
Wand. Aha! Der Apparat ist in einer Schublade eingeschlossen und wartet auf
seinen Einsatz. Man holt ihn nur heraus und schließt ihn an, wenn es nötig ist.
Der Chef persönlich ist der einzige, der von hier aus telefonieren kann. Agnès
konnte es nicht. Ich kann sie deutlich vor mir sehen...
    In jener Nacht deckt sie das Geheimnis
des ehemaligen Legionärs auf, was ihren Vater von jeder Schuld freispricht. Sie
belauscht zuerst eine Unterhaltung zwischen dem Verräter und Sigari und wird
dann Zeuge der Ermordung des barbouze. Der Mörder erwischt sie, läßt sie
aber einen Moment lang in dem Büro alleine. Agnès überlegt fieberhaft, wie sie
ihren Vater benachrichtigen könnte. In Ermangelung eines Telefons nimmt sie
einen Briefumschlag, schreibt eilig seine Adresse darauf. Wenn der Kerl sie
nicht auf der Stelle tötet, wenn er sie an einen anderen Ort bringt, wird sie
den Brief irgendwo unterwegs fallenlassen und Gott anvertrauen! Um einen langen
Brief zu schreiben, bleibt ihr keine Zeit. Vor allem muß sie den Namen des
Verräters übermitteln. Warum ihn nicht auf eine der Banknoten kritzeln, die man
ihr hier in diesem Haus als Lohn für ihre Prostitution gibt? Vielleicht hat sie
sogar das Ausgabedatum des Scheins bemerkt: Juni 1962, die tragische Zeit im
Leben ihres Vaters, die den Beginn seines Unglücks markiert. Mit ihrem
Lippenstift — unbewußt gewähltes Symbol des Blutes! — beginnt sie den Namen des
Schuftes auf den Geldschein zu schreiben. Ein Geräusch — wahrscheinlich kommt
der Kerl ins Büro zurück — stört sie bei ihrem Vorhaben. Schnell die Banknote
in den Umschlag gesteckt, den Umschlag per Adhäsion verschlossen und unters
Kleid geschoben...
    Was wir alle für das Kürzel O.A.S.
halten werden, sind in Wirklichkeit die Buchstaben C, A und S mit einem Anflug
von T!
    Ich gehe zu Mireille in den Salon
zurück. Sie ist inzwischen wieder zu sich gekommen. Nach vorn gebeugt, die
Ellbogen auf ihre Knie gestützt, hebt sie ihr mitgenommenes Gesicht zu mir
empor. In diesem Moment sieht sie zwanzig Jahre älter aus, als sie ist.
    „Ah! Guten Tag, Nes!“ bringt sie
heraus.
    Tiefes Mitleid regt sich in mir. Diese
Frau war einmal etwas ganz Besonderes für mich, als ich ein kleiner Junge war.
Und als ich dann älter wurde und sich die ersten Frühlingsgefühle bei mir
bemerkbar machten, war sie es erst recht. Ich vergesse, daß ich eigentlich
gewisse Sicherheitsvorkehrungen treffen müßte.
    „Guten Tag“, sage ich.
    „Freust du dich, wieder in deiner
Geburtstadt zu sein?“
    „Nicht übermäßig. Aber was sein muß,
muß sein. Ist Castellet abgehauen?“
    „Warum sollte er abhauen?“
    „Weil er den Tod von fünf Menschen auf
dem Gewissen hat. Sechs, wenn man Sie dazuzählt.“
    „Ich bin nicht tot.“
    „Aber so gut wie. Bestimmt plant er
auch Ihren Tod. Er haßt Sie, weil er Sie für seinen Ruin verantwortlich macht.
Und alles, was seitdem passiert ist, ob er irgendwelche Heldentaten bei der
Legion oder seinen schändlichen Verrat begangen hat, alles leitet sich von
damals ab.“
    „Red keinen Unsinn. Komm...“
    Sie hebt das Hinterteil hoch, tastet
nach der Flasche, auf der sie gebrütet hat, und schwenkt die Flasche in der
Luft.
    „Hol dir ein Glas, wir wollen was
zusammen trinken…“
    „Schnauze!“
    Ich reiße ihr die Flasche aus der Hand
und bringe den Alkohol vor ihr in Sicherheit.
    „Sie haben genug getrunken.“
    „Alte Säuferinnen können nie genug
kriegen!“
    „Sie sind keine alte Säuferin. Wenn
Sie schon immer soviel geschluckt hätten, wie Sie’s jetzt tun, dann sähen Sie
nicht mehr so aus, wie Sie aussehen. Ich meine natürlich nicht im Moment, sondern
im allgemeinen. Sie trinken erst seit kurzem... wahrscheinlich seit dem 3.
diesen Monats... um die Angst zu verscheuchen. Aber ohne Erfolg. Hören Sie,
Madame Castellet...“
    Ich nehme ihre Hand. Sie überläßt sie
mir.
    „Wie konnten Sie sich wieder mit diesem
Schwein zusammentun? Also, Mireille, muß ich Ihnen erst die Augen öffnen?
Kennen Sie den Mann denn so wenig? Er hat fünfzig Millionen kassiert, weil er
Leute verraten hat, von denen man denken kann, was man will, die ihm aber auf
jeden Fall vertraut hatten. Und jetzt hat er Sie in diese Sache mit dem
Privatclub hineingezogen. Ein Trick, um eines Tages

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