Wenn Werwolf-Pranken streicheln
knorrigen Bäumen und Sträuchern, zitternden Blättern im Nachtwind, Blumen, die sich gegen Sträucher und Büsche duckten. Schmale Wege wurden von Steinrändern flankiert. Im Takt des Windes bogen sich die Gräser. Von Bäumen verdeckt, stand auch der Pavillon in dem Garten. Ihn liebte das Mädchen so sehr, er war auch Gwens Ziel.
»Hört ihr mich?« rief sie leise in den Garten hinein. »Seid ihr schon da, meine Lieben?«
Sie bekam keine Antwort. Nur das leise Rascheln der Blätter, die im Licht des Vollmonds hin und wieder silberfarben glänzten, war zu hören. Es machte Gwen nichts aus, daß man ihr nicht geantwortet hatte. Das taten sie nur in den seltensten Fällen. Das Mädchen wußte aber, daß man auf sie wartete.
Mit sicheren Bewegungen, die zeigten, daß sie viele Male geübt worden waren, erklomm Gwen die äußere Fensterbank und drückte ihren schmalen Körper nach links, wobei sie den Arm ausstreckte, ihre Hand unter den Kletterpflanzen verschwand und die suchenden Finger das Ziel sehr schnell fanden.
Es war die Leiter!
Keine Holzleiter, sondern eine aus Leichtmetall. Sie war erstens weniger breit und zweitens wetterfest. Ein Einbrecher hätte sie nie entdecken können, doch Gwen wußte Bescheid, schwang ihren Körper herum, bekam die zweitoberste Sprosse zu fassen, tat eine großen Schritt erst ins Leere und dann auf die Sprosse.
Sie stieg nach unten.
Mit geschickten Bewegungen glitt sie durch den dichten Bewuchs an der Hauswand. Ihr Körper bewegte sich schlangengleich. Sie riß kaum ein Blatt ab, und es gab auch keine hindernden Ranken, die sich um ihre Fußknöchel verhakten.
Glatt und sicher wie immer kam sie weg und tauchte erst wieder richtig aus dem Pflanzenwirrwarr auf, als sie den rechten Fuß gegen den weichen Boden drückte.
An der Wand blieb sie stehen. Wäre sie nach rechts gegangen, hätte sie den breiten und repräsentativen Eingang des Hauses erreicht, der schon die Größe eines Portals besaß. Sie aber wandte sich nach links, wo ein schmaler Pfad tiefer in den Garten führte und wie von einem Tunnel verschluckt wurde. Sträucher säumten auf der rechten Seite den Weg. An ihnen wuchsen Stachel-und Johannisbeeren. Es waren Gwens Sträucher. Sie durfte sie pflegen und im Sommer auch die Früchte ernten.
Schon bald mußte sie sich ducken, weil die Zweige eines Baumes sehr tief wuchsen. Sie waren wie lange, ausgebreitete Arme, die nach ihr greifen wollten.
Der Weg verschwand. Erlief einfach in eine Rasenfläche aus, die dicht bewachsen war, so daß es einem Gärtner unmöglich gelang, hier zu mähen. Das war der Teil des großen Gartens, den Gwen so sehr mochte, und hier stand auch ihr Ziel.
Bei Tageslicht hätte sie die Mauern das Pavillons schon sehen können. So mußte sie trotz des Vollmonds noch einige Schritte laufen, um die Mauern des Rundbaus erkennen zu können. Er wurde von vier Säulen gestützt, die in äußeren Steinplatten intregiert waren. Eine Tür war nicht vorhanden. Der offene Eingang hob sich als finsteres Rechteck ab, als hätte es eine Riesenschere herausgeschnitten. Ebenso sahen die vier Fenster aus, die auch keine Scheiben besaßen.
Zögernd trat die neunjährige Gwen auf den Pavillon zu. Obwohl sie diesen Weg kannte, war es doch immer wieder ein kleines Abenteuer, ihn zu gehen. Es hatte Nächte gegeben, da warteten sie bereits. Vielleicht war das heute auch so.
Noch bemerkte sie nichts und blieb in der Öffnung stehen. Sie schaute in den dunklen, runden Raum, sah die Fenster wie etwas hellere Augen, und durch die beiden rechten schickte der Mond seine blassen Strahlen. Sie trafen auch die schmale Bank nahe der Fenster. Sie bestand aus Eisen, das ein Kunstschmied bearbeitet hatte. Deshalb zeigte sie eine gewisse Verspieltheit mit ihren gebogenen Formen, Lehnen und Beinen. Der weiße Anstrich gab ihr etwas Bleiches, Geisterhaftes, aber die Farbe paßte zu dem alten Pavillon.
Gwen schritt auf die Bank zu. Wenn sie nicht schon anwesend waren, ließ sie sich stets auf der Sitzfläche nieder und wartete so lange, bis sie kamen.
Auch jetzt hockte sie sich nieder, preßte die Knie seitlich gegeneinander und legte die Hände auf die schmalen Oberschenkel. Dabei sah sie aus wie ein braves Schulmädchen.
Wegen der sich gegenüberliegenden, offenen Fenster herrschte Durchzug. Der Wind strich über den Körper des Mädchens. Gwen fror ein wenig. Der Bademantel war für diese Jahreszeit einfach nicht warm genug. Aber sie holte sich lieber eine Erkältung, als
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