Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
diesmal
war es anders. Ich habe sie nie so aufgebracht wegfahren sehen.« Sie bedachte Molly mit einem mitfühlenden Blick.
»Gut, Mrs. Barry, kehren wir wieder zum Morgen des 9. April zurück. Was taten Sie, nachdem Sie in der Küche gewesen waren?«
»Ich ging ins Arbeitszimmer, um mit Mr. Lasch etwas zu besprechen. Die Tür war geschlossen. Ich klopfte an, aber niemand antwortete. Als ich den Türknauf umdrehte, fühlte er sich klebrig an. Ich machte die Tür auf, und da sah ich ihn.« Edna Barrys Stimme zitterte. »Er saß zusammengesackt in seinem Sessel am Schreibtisch. Sein Kopf war blutverkrustet. Überall war Blut, auf seinen Kleidern, dem Sessel und dem Teppich. Ich wußte sofort, daß er tot war.«
Während Molly der Aussage ihrer Haushälterin zuhörte, erinnerte sie sich wieder an jenen Sonntag abend. Ich kam nach Hause, schloß die Haustür auf und hinter mir wieder ab und ging dann ins Arbeitszimmer. Ich war sicher, daß Gary dort war. Die Tür war zu, ich machte sie auf… Was dann geschah, weiß ich nicht mehr.
»Was taten Sie danach, Mrs. Barry?« erkundigte sich der Staatsanwalt.
»Ich habe sofort die Polizei angerufen. Da ich befürchtete, Molly könnte auch etwas zugestoßen sein, lief ich nach oben ins Schlafzimmer. Als ich sie dort auf dem Bett fand, glaubte ich zunächst, sie wäre ebenfalls tot.«
»Warum?«
»Weil ihr Gesicht voller Blut war. Dann aber schlug sie die Augen auf, lächelte und sagte: ›Hallo, Mrs. Barry, ich habe wohl verschlafen.‹«
Ich bin zu mir gekommen, dachte Molly, und dann merkte ich, daß ich noch vollständig angezogen war. Zuerst befürchtete ich, ich hätte einen Unfall gehabt. Meine Kleider waren schmutzig und meine Hände ganz klebrig. Außerdem fühlte ich mich müde und benommen, und ich fragte mich, ob ich vielleicht im Krankenhaus war anstatt
in meinem Zimmer. Im nächsten Moment schoß mir durch den Kopf, daß Gary möglicherweise auch verletzt war. Dann klopfte es unten laut an die Tür, und die Polizei kam.
So vergingen die Prozeßtage, die Molly wahrnahm wie durch einen Nebelschleier. Leute kamen und gingen und machten im Zeugenstand ihre Aussage.
Auch Cal, Peter Black und Jenna sagten aus. Cal und Peter gaben zu Protokoll, sie hätten Gary am Samstag nachmittag angerufen und sich bei ihm eingeladen, da sie wußten, daß er ein Problem hatte.
Gary sei ziemlich verzweifelt gewesen, denn Molly hatte von seiner Affäre mit Annamarie Scalli erfahren.
Seinem Freund Cal hatte Gary erzählt, Molly hielte sich schon die ganze Woche in ihrem Ferienhaus in Cape Cod auf und knalle einfach den Hörer hin, wenn er anrief.
»Wie haben Sie reagiert, als Dr. Lasch Ihnen sein außereheliches Verhältnis beichtete?« fragte der Staatsanwalt.
Cal erwiderte, er und Peter hätten sich um die Ehe ihres Freundes Sorgen gemacht. Außerdem hätten sie befürchtet, ein Skandal um Dr. Lasch und die junge Krankenschwester könne dem Krankenhaus schaden. Gary habe ihnen versichert, daß es keinen Skandal geben würde. Annamarie, die ein Kind erwartete, sei bereit, die Stadt zu verlassen und das Baby zur Adoption freizugeben. Sein Anwalt habe ihr eine Abfindung von fünfundsiebzigtausend Dollar angeboten und sie ein Abkommen unterzeichnen lassen, das sie zum Stillschweigen verpflichtete.
Annamarie Scalli, dachte Molly, die hübsche, dunkelhaarige, sexy Krankenschwester, die sie einmal in der Klinik kennengelernt hatte. War Gary in sie verliebt gewesen, oder hatte es sich nur um eine belanglose Affäre gehandelt, die erst dann Kreise zog, als Annamarie schwanger wurde? Nun würde sie es nie erfahren. Es gab so viele offene Fragen. Hat Gary mich wirklich geliebt? überlegte sie. Oder haben wir einander nur etwas vorgemacht? Sie schüttelte
den Kopf. Nein. Sie durfte sich nicht mit solchen Grübeleien quälen.
Dann trat Jenna in den Zeugenstand. Ich weiß, wie schwer es ihr fällt auszusagen, schoß es Molly durch den Kopf. Aber der Staatsanwalt hat sie vorgeladen, ihr bleibt nichts anderes übrig.
»Ja«, gab Jenna mit leiser, zögernder Stimme zu. »Ich habe Molly an Garys Todestag im Ferienhaus angerufen. Sie erzählte mir, er habe ein Verhältnis mit Annamarie gehabt, die nun schwanger sei. Molly war am Boden zerstört.« Molly hatte Mühe, sich auf das Verhör zu konzentrieren. Der Staatsanwalt erkundigte sich, ob Molly wütend gewesen sei, und Jenna entgegnete, nein, eher traurig. Schließlich jedoch mußte sie einräumen, Molly sei auch sehr ärgerlich auf
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