Wer aaahh sagt...
meine literarischen Vergleiche nicht zu schätzen.
Ich sah auf die Uhr und war erstaunt. Gerade erst halb neun. Sandra hatte recht. Es zahlt sich nicht aus, morgens nichts zu essen - besonders, weil es sonntags immer ein Ei zum Frühstück gab. Ich verließ Walter, der verärgert zum Fenster hinausstarrte. Ich wollte irgendwo allein sitzen und nachdenken und entschloß mich, das Golfspiel abzusagen. Selbst Nero hat das Feuer nicht selbst gelegt.
Meine Tochter war schon zu Hause. Peter Teverill sollte zum Essen kommen.
Jilly ist blond und schlank und neigt, wie viele Ärztinnen, zur Herrschsucht. Der öffentliche Skandal dieses Morgens schien sie überraschenderweise kaum zu berühren. Ich glaube, wenn man jung ist und noch dazu kurz vor der Hochzeit steht, kümmert einen nicht einmal ein bevorstehender Atomkrieg, gegen den selbst der Gesundheitsdienst nicht gewappnet ist.
»Ruf einen Anwalt der Ärzteschutzvereinigung an«, drängte sie mich. »Die helfen dir aus jeder berufsethischen Klemme.«
»Was für ein verdammt blöder Vorschlag an einem Sonntagmorgen«, erklärte ich.
»Oh, die haben einen Notruf für Ärzte, die in flagranti oder wie auch immer ertappt worden sind«, murmelte sie und vertiefte sich neuerlich in die widerliche Zeitung.
»Dieser Brief wurde von jemandem aus den Akten gestohlen, der genau wußte, wonach er suchte und wie er am meisten Schaden anrichten konnte«, entgegnete ich, während ich mich genüßlich über meine Rühreier mit Speck hermachte. »Wird eigentlich viel gestohlen in unserem Krankenhaus?«
»Wirklich, Daddy, du weißt doch sicherlich, daß die häufigste Beschwerde beim Gesundheitsdienst diejenige wegen Diebstahls ist?« fragte sie mitleidig. »Angefangen von den Kreditkarten des Chirurgen bis zu den Pralinen des Patienten, während beide im Operationssaal sind. Ich frage mich manchmal, ob ich überhaupt die Nähte aus den Wunden zu entfernen brauche.«
»Wenn ich den Mund halte«, überlegte ich weise, »braucht niemand in Churchford zu erfahren, daß Jim Whynn einer von meinen Patienten ist.«
»Jeder in Churchford weiß, daß Jim Whynn dein Patient ist.«
»Warum?«
»Weil du es selbst herumerzählt hast.«
Es war ein wunderschönes Wochenende, die Knospen brachen auf und die Vögel zwitscherten. Ich kam mir vor wie ein Mörder, dessen streng vertrauliche Affäre mit dem Opfer auf verblüffende und erschreckende Weise zur öffentlichen Angelegenheit geworden ist.
Ich versuchte den ganzen Morgen, Charlotte telefonisch zu erreichen, aber sie hatte dieses Folterinstrument ausgeschaltet. Meine Partner von der Praxis, die mütterliche Doktor Elaine Spondek, rief an und tröstete mich, ebenso wie Doktor Quaggy.
»Richard, es tut mir wirklich leid, daß du so in der Klemme steckst«, sprach er mit zuckersüßer Stimme. »Weißt du, Richard, du hattest allen Grund, stolz zu sein, daß unser Abgeordneter dir vor allen anderen Ärzten in Churchford den Vorzug gegeben hat. Ich hoffe wirklich, daß dieser Einzelfall - wie katastrophal er auch gewesen sein mag - dir nicht deinen glücklichen Lebensabend verdirbt, den du dir nach solch einer langen und glanzvollen Karriere verdient hast.«
»Verdammt nochmal, ich setze mich nicht zur Ruhe!« brüllte ich. »Ich bin der Frank Sinatra der Medizin!«
»Du hörst nicht auf?« fragte er schmerzlich überrascht. »Es tut mir leid, aber ich habe nur den Eindruck deiner Patienten wiedergegeben.«
Ich knallte den Hörer hin.
»Dieser als Taube verkleidete Aasgeier!«
»Oh, jeder weiß, daß er dich loswerden will, um seinen Sohn Arnold unterzubringen«, bemerkte Jilly, die sich jetzt mit den »Neuesten Fortschritten in der Chirurgie« befaßte.
»Aber wenn du dich nicht zur Ruhe setzt, Liebster, macht das denn was?«
»Quaggy hat die gesamte Bevölkerung von Churchford seit Monaten streng vertraulich dahingehend informiert, daß ich mich entschlossen hätte aufzuhören. Und Gerüchte werden von selbst Wahrheit, so wie der Wind die Schiffe gegen die Felsen treibt.«
»Arnold Quaggy war bei uns am St. Swithin als der >Bandwurm mit Bulimie< bekannt«, sagte Jilly. »Das ist die neue Freßsucht«, erklärte sie herablassend.
»Vielleicht sollte ich mich wirklich zur Ruhe setzen«, schlug ich nüchtern vor. »Wir könnten in der Algarve leben und das ganze Jahr hindurch ein Wetter wie jetzt genießen. Ich weiß, Liebes, wie sehr du dich den Winter über nach der Sonne sehnst«, sagte ich liebevoll zu Sandra. »Wie eine
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