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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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erreichte das elisabethanische Herrschaftshaus mit dem dunklen, windschiefen Schindeldach. Alle Fenster waren hell erleuchtet; es sah aus wie ein Bühnenbild. Sollte ich etwa unfreiwilliger Teilnehmer an einer glitzernden Showbiz-Party werden? Ich horchte. Im Haus herrschte eisige Stille wie in einem leeren Theater. Ich griff nach dem schmiedeeisernen Glockenzug neben dem eisenbeschlagenen Tor.
    Ich hörte leichte Schritte näher kommen. Das Tor öffnete sich knarrend. Vor mir stand Herbert, Sir Damians Freund. Er war mager, blaß, hatte rotblonde Haare (gefärbt), hautenge Jeans und einen Gang, als balancierte er auf einem Seil.
    Ich fragte: »Was fehlt ihm?«
    Herbert kicherte. »Vielleicht Aids, es würde mich kein bißchen wundern.«
    Ich betrat die Halle mit dem Steinboden. Die beiden schienen allein in dem kahlen, zugigen, hallenden Haus zu sein. Herbert verzog das Gesicht.
    »Hummer Thermidor nach dem Auftritt«, sagte er streng. »Ich bitte Sie! Es ist ihre eigene Schuld. Zuviel gegessen, habe ich ihr auf den Kopf zugesagt. Manchmal glaube ich, sie macht sich noch zur Märtyrerin ihres Magens. In ihrem Alter sollte sie es besser wissen, selbst wenn sie nur so alt wäre, wie sie es den Journalisten erzählt.«
    Ich folgte Herbert die Treppe aus Eichenholz hinauf. Sir Damian war natürlich schwul.
    »Hier ist der Doktor, Liebes«, verkündete Herbert eher mißbilligend als beruhigend.
    Er öffnete die Tür eines holzgetäfelten Zimmers mit Balkendecke, in dem ein riesiges Himmelbett stand, das dem Totenbett Shakespearescher Könige alle Ehre gemacht hätte, wenn man von den pinkfarbenen, rüschenbesetzten Kissen und dem Teddybären absah.
    Sir Damians Unterkiefer glich einer Schaufel, und seine Augenbrauen erinnerten an ein Paar schlafende Skye-Terrier. Dichtes graues Haar fiel ihm auf die knochigen Schultern, seine Augen funkelten wie Bühnenscheinwerfer, und seine Wangen waren so hohl wie die Yoricks. Seine Stimme klang wie der Wind, der durch mittelalterliche Festungen braust: »Ich glaube, ich fühle mich schon besser. Herbert, sei ein Schatz und hol eine Flasche Champagner!«
    »Also wirklich! Das ist ja unerhört!«
    Herbert schlug auf Damians Handgelenk.
    »Oh, sei doch nicht so gemein«, sagte Sir Damian.
    Anmutig versetzte Herbert ihm einen Klaps.
    »Es ist nur zu deinem Besten, Liebes. Ich möchte nicht deine Innereien haben, nicht um alles in der Welt.«
    »Aber erinnerst du dich noch daran, was in Hull passiert ist?« fragte Sir Damian majestätisch. »Ich wurde von der Witwe Cliquot gerettet, als ich im Sterben lag, in der Nacht, als ich in Heinrich V. von Harfleur überrascht worden war.«
    Herbert stemmte die Hände in die Hüften.
    »Nein, Süße«, widersprach er. »In Hull war die Sache mit dem entsetzlichen Weib, das ihr Kind im Parkett zur Welt brachte und die damit deinen Auftritt so gut wie ruiniert hat.«
    Sir Damians eherner Blick wurde weich; es war der Blick eines Königs, der sich längst vergangener Schlachten entsinnt. »War es in Stoke-on-Trent, als ich während der Balkonszene eine Küchenschabe in meiner Perücke hatte?«
    »Nein, Darling, das war in Portsmouth. Stoke-on-Trent - das war die Maus in Titanias gefälteltem Kleid.«
    Beide lachten. »Aber da war doch auch irgend etwas in Cardiff, Herbert?«
    »Ja, Liebes, das Theater stand in Flammen.«
    »Ja, ich erinnere mich«, verkündete Sir Damian feierlich. »Die Leute verlangten ihr Geld zurück. Die Direktion hatte ganz recht, nur denjenigen den Eintrittspreis zurückzuerstatten, die ein bißchen angesengt waren.«
    Ich hüstelte.
    »Ah, der Doktor«, erinnerte er sich munter. »Sie müssen darüber in meiner Autobiographie Die ganze Welt ist eine schlechte Bühne lesen. Ist gerade erschienen, ganz außerordentliche Kritiken, aber sicherlich kennen Sie sie bereits.«
    Er seufzte wie ein leichter Wind, der durch uralte Ulmen fährt.
    »Vielleicht war die wirkliche Rolle meines Lebens die eines großen Schriftstellers, wie... wie..., wie heißt er doch gleich, Herbert? Dickens!«
    Er langte zum Nachttisch mit der rosa Lampe.
    »Zufällig habe ich einige Exemplare zur Hand. Sie sollen eines davon bekommen. Und ich werde es signieren.
    Ich stammelte meinen Dank für die besondere Ehre.
    »Sie werden ganz einfach hingerissen sein von den Geschichten über unsere beiden Lieblinge, die beiden Sir Johns«, versprach er und schmückte die erste Seite des Buches mit seiner Unterschrift. »Und fasziniert von meinen genialen Theorieren

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