Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
abgemacht.«
Gute Gründe
Ich hatte geduscht, ausgiebig, schön warm. Ich hatte meine Füße mit einer Creme behandelt, in die der Cremehersteller rotes Weinlaub reingeschnibbelt hatte.
Die Kinder waren im Bett, Anne saß vorm Fernseher, und ich saß, nein, ich hing an meinem Schreibtisch. Vor mir stand ein Glas guter Rotwein, daneben lagen ein weißes Blatt Papier und mein Füllfederhalter.
»Warum? Warum, um alles in der Welt, lasse ich mich auf so eine Schinderei ein?«
Diese Frage musste ich beantworten, jetzt, plausibel und glaubwürdig. Um eins von vornherein klarzustellen: Es ging nicht darum, medizinisch fundierte und psychologisch unumstößliche Argumente zu finden. Nein, glaubwürdig war in diesem Falle wörtlich zu nehmen. Ich brauchte Gründe, die ich glauben würde , damit ich in zwei Tagen wieder loslief.
Es war sehr einfach, Argumente für das Gegenteil zu finden. Zwei davon steckten gerade eingecremt in bequemen Fellpantoffeln. Morgen früh würde ich große Probleme haben, das Bett zu verlassen. Aber um nicht laufen zu müssen, braucht man keine Argumente. Nicht laufen passiert einfach. Nicht laufen, das würde mein innerer Schweinehund ohne jegliche inhaltliche Begründung einfach so hinkriegen. Meine ganz besondere Haustiersammlung würde sich morgen früh um ein kapitales Exemplar erweitern. Zu meinem inneren Schweinehund würde sich ein ausgesprochen erwachsener Muskelkater gesellen, und der würde sich alle Mühe geben, sämtlichen Befehlen des Kleinhirns zu widerstehen, jetzt die Beine aus dem Bett zu heben. Da war ich mir ganz sicher. Und im Gegensatz zu meinem Hund, der lediglich das Gewissen quälte, verursachte mein Kater auch körperliche Schmerzen.
Wenn ich blind in irgendeine Zitatensammlung tippen würde, dann würde ich sofort bei Winston Churchill landen, der dereinst den Wahlspruch aller Bewegungsmuffel prägte: »Sport ist Mord.« Ich war schon geneigt, dem alten Engländer zuzustimmen.
Wie gesagt, Argumente für die sofortige Entsorgung der Laufschuhe würden sich in Hülle und Fülle finden, aber um der Fülle meiner Hülle etwas entgegenzusetzen, brauchte ich die anderen, die Durchhalteparolen. Doch beide Seiten hielten sich zunächst tapfer die Waage:
Da ist zunächst mal der Saft des Lebens, das Blut. Wenn man läuft, gibt es plötzlich mehr rote Blutkörperchen, die transportieren mehr Sauerstoff zu mehr Muskeln. Die Blutproduktion im ganzen Körper wird angeregt. Ein trainierter Mensch hat tatsächlich mehr Blut in den Adern als ein fauler Sack wie ich. Andererseits, von Rotwein bekommt man auch rote Blutkörperchen.
Der Herzmuskel wird trainiert, er wird größer und sogar leistungsfähiger. Wer ab und zu läuft, klagt seltener über Atemnot, ist weniger erschöpft, und das Blut kann um ein Viertel mehr Sauerstoff aufnehmen. Läuferherz, -kreislauf und -lunge sind topfit, wenn man nicht gerade auf Krücken unterwegs ist, weil man sich in Ausübung seines Hobbys den Meniskus zerfetzt hat.
O.k., das Fettgewebe ist natürlich auch so ein Thema. Wer sich bewegt, verbraucht mehr Energie. Wir alle wissen aus der Werbung, woher der Körper die Energie nimmt. Das funktioniert so: Das Kleinhirn gibt den Befehl: »Alle Mars und Snickers, die noch in irgendwelchen Hautfalten rumliegen, sofort anzapfen!« Und wenn dann von unten zurückkommt: »Keine mehr da!«, dann heißt es: »Echt, das hatten wir ja noch nie! O.k., dann die freien Fettsäuren!« So schwinden ganz langsam die Fettpolster. Andererseits, man könnte das Fett auch absaugen, das geht viel schneller.
Es gibt da jedoch ein Killerargument, eine Begründung für weitere Laufaktivitäten, die eigentlich jederMann sofort unterschreiben müsste: Während eines Laufs und auch einige Zeit danach erhöht sich die Konzentration des männlichen Sexualhormons Testosteron in unserm Blut. Das soll, so denkt sich das der Körper, den Aufbau von Muskelmasse stimulieren. Das wird, das wissen wir ja mittlerweile, auch dazu führen, dass Libido und Spermaproduktion angeregt werden, oder um es für den Mann verständlich zu übersetzen: »Kollegen, lauft! Dann werden wir schön und geil!« Angeblich soll täglicher Sex das Leben eines Mannes um acht Jahre verlängern. Das heißt, dann erlebt er noch mindestens zwei weitere Fußballweltmeisterschaften!
Und dann war da natürlich noch die Sache mit der eigenen Ehre: Herbert zum Beispiel hatte früher auch einige Pfunde mehr auf den Rippen. Und Herbert sah
Weitere Kostenlose Bücher