Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
»de Grevelinge«. Beide waren passionierte Läufer. Bei Gaby war das so weit kein Problem. Groß, schlank, langhaarig, weiblich, unter vierzig. Jedes dieser Attribute deutete darauf hin, dass sie eine Sportskanone war. War sie auch! Aerobic-Lehrerin in der ortsansässigen Volkshochschulgruppe, Trainerin der Jazzdance-Gruppe Sinzig und mal eben so in der Lage, mit dem Fahrrad zum Bäcker ins Dorf und zurück zu fahren, ohne zu schwitzen, und das ganz ohne Funktionsunterwäsche.
Gaby war nicht das Problem. Lothar war es. Bei Lothar würde ein unerfahrener Mediziner auf einen Sportunfall tippen: »Medizinball verschluckt«. Lothar trägt einen beachtlichen Kugelbauch vor sich her, aber das tut er mit erstaunlicher Geschwindigkeit. Beim Beachvolleyball wird er immer »Killerplauze« genannt.
Lothar selbst stand zu seiner Wampe und hatte sich dafür ein paar lustige Bezeichnungen ausgedacht, die er je nach Situation und Gesprächspartner zum Besten gab: »Delikatessgewölbe«, »Überhangmandat«, »Schokoladenfriedhof«, »Currywurstendlager«, »Senkbrust«, »Kulinarische Zone«, »Vordach fürs Werkzeug« – Lothar war da durchaus kreativ.
Eigentlich möchte ich nicht neidisch sein. Aber ich bin es. Warum konnte sich dieser genauso plauzengeplagte Mensch wie ich locker in der ARD -Sportschau bewerben für den Titel »Galopper des Jahres«, und meine Kondition reichte gerade mal eine Minute und acht Sekunden.
Ja, ich war neidisch. Aber Neid ist nicht die allerübelste Charaktereigenschaft. Schlimmer ist die Missgunst. Ich versuche immer, zwischen Neid und Missgunst zu unterscheiden. Neid, der kann auch positiv sein. »Mein Nachbar hat einen viel schöneren Rasen als ich. Vielleicht sollte ich meine Grünflächen auch drei Mal in der Woche mähen.« Dieses Umdenken kann sich beim Wettbewerb »Unser Dorf soll schöner werden« sehr positiv auswirken.
Anders sieht es bei Missgunst aus. Missgunst würde bedeuten: »Mein Nachbar hat einen viel schöneren Rasen als ich. Dem wünsche ich heute Nacht zwanzig Maulwürfe, die ihm mal so richtig die Grasnarbe perforieren.« Der Aspekt der positiven Auswirkung auf das Gemeinwohl fehlt in diesem Falle völlig.
Ich war neidisch auf Lothar, ich wollte auch trainieren, ich wollte auch fünfundvierzig Minuten am Stück laufen können. Eine durchaus positive Auswirkung. Dann hätten wir uns beide ein schönes Grimbergen verdient, das wir in einer gemütlichen Strandkneipe genießen könnten. Eine verdammt positive Auswirkung! Das gute Gewissen, das ich dabei hätte, wäre nur meinen Neidgefühlen zu verdanken.
Mann braucht Vorbilder
Im Grunde war Lothar sogar genau das richtige Vorbild für mich, für einen Mann. Frauen, klar, die haben seit jeher ihre prominenten Vorbilder. Ganze Generationen von Frauen wollten aussehen wie Marilyn Monroe, Brigitte Bardot oder Claudia Schiffer. Heute sind die Schulhöfe voll von Katy-Perry- oder Paris-Hilton-Doubles.
Bei Männern ist das schwieriger. Ich habe lange nachgedacht, wen ich als Vorbild wählen könnte. Es gibt ja jede Menge prominente Zeitgenossen meines Alters, aber kaum einer taugt als Vorbild.
George Clooney zum Beispiel, auch Jahrgang 1961 . Der Mann sieht gut aus, ist charmant, witzig, intelligent, erfolgreich, sozial engagiert und macht fast nur gute Filme. Ich hasse ihn. Es gibt verschiedene Arten von Menschen. Clooney gehört keiner an. Wahrscheinlich wird man eines Tages herausfinden, dass er gar nicht 1961 geboren wurde, sondern 1947 in Roswell, New Mexico, abgestürzt und einem Ufo entstiegen ist. Clooney ist nicht von dieser Welt, er läuft quasi außer Konkurrenz.
Brad Pitt eignet sich auch nicht. Jahrgang 1963 , »Sexiest Man Alive« – selbst mit Wolfgang-Thierse-Bart –, macht zwei Filme im Jahr und konzentriert sich ansonsten darauf, gut auszusehen. Dabei hilft ihm wahrscheinlich eine ganze Entourage aus persönlichen Assistenten und Personal Trainern. Außerdem, wenn ich nachts neben Angelina Jolie liegen würde, würde ich auch eine Menge Fett verbrennen.
Nehmen wir Johnny Depp, auch Jahrgang 1963 . Da muss man nur »Angelina Jolie« durch »Vanessa Paradis« ersetzen. Ansonsten gibt es das gleiche Ergebnis. Herr Depp taugt nicht als Vorbild, höchstens mal im Karneval für eine Verkleidung als Pirat.
Wer kommt noch nicht in Frage? Jogi Löw, der »Bundescremer« (Jahrgang 1960 ). Der macht inzwischen Werbung für Körperpflegeprodukte. Immer top angezogen, maßgeschneidertes Hemd,
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