Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
blauer Kaschmirpulli und fast immer der passende Schal. Der sieht immer jung aus, sogar viel jünger, als er eigentlich ist. Einige nennen ihn schon »Jopi« Löw. Fit wie ein Turnschuh, kein Gramm Fett. Isst wahrscheinlich nie. Das erledigt Hansi Flick.
Noch so ein unbrauchbares Vorbild für Männer meines Alters: Lothar Matthäus (Jahrgang 1961 ), der gefühlte Bayern-Trainer. Das biologische Alter setzt sich ja bekanntermaßen aus drei Komponenten zusammen: dem tatsächlichen Alter ( 50 ), der Lebensweise ( 21 ) und der Psyche ( 16 ). Loddar ist im Schnitt erst 29 . Damit zählt er nicht.
Gleiches gilt für Barack Obama (Jahrgang 1961 ): Sexsymbol und nebenbei US -Präsident. Garantiert unsere Freiheit, rettet die Welt, stoppt den Klimawandel, saniert die Wirtschaft, schützt die Eisbären und findet zwischendurch sogar noch Zeit zum Joggen. Enorme Ausdauer. Kunststück: Er ist der Sohn eines Kenianers. Mein Vater kommt aus Posen, kann man nicht vergleichen.
Bleibt am Ende doch nur Lothar Westerbeck. Gut, der liegt vielleicht knapp außerhalb des Schönheitsidealtoleranzbereichs, aber für einen Mann meines Alters war er als Vorbild besser geeignet als alle anderen. Wir hatten uns im letzten Jahr zu einem Spaziergang verabredet. Es war in den Herbstferien, und so ein Oktober kann auf der Halbinsel Walcheren verdammt garstig rüberkommen. Es regnete eigentlich permanent, und wenn es nicht regnete, dann goss es. Meine Mutter hatte mir irgendwann einmal in einem unserer Familiencampingurlaube an der Nordsee beigebracht, dass man sich erst dann richtig erholt, wenn man sich so richtig langweilt. Wenn das stimmt, dann erholten wir uns in diesen Herbstferien prächtig. Was will man bei dem Wetter machen, man kann noch nicht mal Rasen mähen. In den ersten vier Tagen hatte ich schon zwei Bücher gelesen. Anne und Gaby strickten, wenn ihnen langweilig war. Deshalb trugen wir nun alle ganz lustige Wollmützen. Vor allem war es nicht einfach gewesen, die Kinder bei dem Mistwetter bei Laune zu halten. Als endlich ein Tag kam, an dem es nicht regnete und nicht goss (Es stürmte!), beschlossen wir, gemeinsam einen Spaziergang zu machen.
Lothar kannte eine wunderbare Strecke durch die Dünen. Wenn man in Noordkapelle an den Strand will, dann führt an der Fischbude links ein Weg in den Eichenwald, dem folgt man ungefähr fünfhundert Meter, dann biegt man rechts ab in die Dünenlandschaft »de Mantelinge«. Da gibt es einen mit Muschelkalk bestreuten Weg, der führt bis nach Domburg zum alten Wasserturm, von da aus sind es nur noch ein paar Hundert Meter bis zum Strandpaviljoen in Domburg, da kann man sich einen heißen Kakao leisten, je nach Alter und Geschlecht des Spaziergängers mit mehr oder weniger Rum.
Wir machten uns, warm angezogen und mit den neuen Wollmützen, auf den Weg.
Die Dünen erreichen zwischen Noordkapelle und Domburg gerne mal zwanzig, dreißig Meter Höhe. Dabei konnte ich noch froh sein, dass uns unsere Herbstferien in die schönen Niederlande führten. Die »Dune du Pyla« bei Arcachon hat als höchste Düne Europas eine Höhe von 117 Metern. Es gibt Dünen in der Namib-Wüste im Süden Afrikas, die sogar eine Höhe von weit über 200 Metern aufweisen.
Lothar würde vermutlich trotz seiner Hummeltaille auch die Dune du Pyla fröhlich pfeifend hochsprinten, und Gaby wäre vermutlich auch in der Namib-Wüste in der Lage, mit dem Fahrrad Brötchen zu holen, ohne zu transpirieren, aber mir reichten die zwanzig Meter vollauf. Schon nach der zweiten oder dritten Steigung hatte sich unter meiner lustigen Wollmütze eine ordentliche Portion Schweiß gesammelt. Mich hielt nur der Gedanke aufrecht, dass uns in Domburg ein heißer Kakao mit einem ordentlichen Schuss Rum erwartete.
Wir hatten gerade die fünfte oder sechste Düne überquert, als ich vorschlug, man könnte den Rückweg doch am Meer entlang zurücklegen, dann könnten die Kinder ein paar Muscheln sammeln. Lothar fragte: »Ist dir die Strecke vielleicht zu anspruchsvoll? Ich gehe die sehr gerne. Aber kein Problem. Natürlich können wir auf dem Rückweg am Meer entlanggehen.«
Ertappt. Macht nichts, soll er doch denken, was er will. Ich würde gleich in Domburg eine schöne Pause einlegen mit einem heißen Rum und einem ordentlichen Schuss Kakao. In diesem Augenblick sagte Gaby: »Bis Domburg sind es nur noch anderthalb Kilometer. Ich weiß das genau, denn wir joggen diese Strecke immer.«
So, jetzt hatte ich die Westerbecks in Gedanken aus
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