Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
der nächsten Ecke, wo niemand mehr zusieht, elendig zu kollabieren. Ich war sicher, Kim hatte mich beobachtet und mitgestoppt, und wenn nicht sie, dann bestimmt ihr doofer Köter.
Eine gute halbe Stunde später ging ich durch die elektrische Schiebetür des Seehotels. Es lag schon etwas mehr Bewunderung im Blick der jungen Dame hinter dem Tresen, als sie mich sah. Ausgepowert, schweißnass, mit zufriedenem Gesichtsausdruck nahm ich meinen Zimmerschlüssel entgegen, ging leichtfüßig zur Treppe … und nahm den Aufzug. Man soll es ja nicht übertreiben.
Tourneemensch
Ich liebe Tourneen. Man steht abends in irgendeinem Theater, und man fährt danach nicht nach Hause, sondern ins Hotel, denn die Show geht am nächsten Tag weiter. Nach dem Frühstück geht es in die nächste Stadt, in das nächste Theater, auf die nächste Bühne. Es gibt auch ein neues Hotel. Wenn ich länger als drei Tage unterwegs bin, schmeiße ich grundsätzlich die Hotelzimmernummern durcheinander. Da sage ich an der Rezeption: »Zimmer 741 , bitte.« – »Wir haben nur bis 500 .« Dabei lächelt der Portier milde, er weiß ja, ich bin der bekloppte Typ, der beim Frühstück nur die zweite Zahl hören will.
Wir sind auf Tourneen immer als Viererbande unterwegs.
Kai ist der technische Direktor der Veranstaltung. Er war schon mit Peter Maffay, Scooter und der Kelly-Family auf Tour, aber seit elf Jahren ist er jetzt bei meinen Tourneen der Herr des Mischpults. Kai ist ein Hundertzwanzigprozenter. Wenn der Klang nicht absolut perfekt war, kann er die halbe Nacht nicht schlafen. Kai kommt ursprünglich aus Hannover, ist ein großer Whisky-Kenner und fragt bei jeder Spargelbestellung den Kellner: »Könnte ich bitte ein bisschen Muskat haben.« Wir haben ihm einmal eine Muskatreibe im Lederfutteral geschenkt, aber die vergisst er ständig.
Ralf ist der Tourleiter. Er ist für die ganze wirtschaftliche Seite der Konzerte zuständig. Er verhandelt mit den Veranstaltern vor Ort, macht die Abrechnung und führt die Bücher. Ralf war schon mit Status Quo, Bobby McFerrin und Joan Baez unterwegs, hat also auch jede Menge Erfahrung. Ralf arbeitet seit sechs Jahren für die Tour. Bei einem unserer ersten gemeinsamen Gigs sagte er einen Satz, der mich total überzeugt hat, dass Ralf in unser Team gehört. Ein griesgrämiger Hausmeister kam mit übellaunigem Gesicht auf uns zu, und Ralf sagte, noch bevor der Graukittel etwas sagen konnte: »Die Antwort ist ›Ja‹, wie lautet die Frage.«
Jürgen komplettiert die Runde. Er ist für das Merchandising zuständig, für den Tisch mit Büchern, CD s und T-Shirts, und seit einundzwanzig Jahren ist er mein Fahrer. Nach einem Kabarettabend oder im Karneval möchte ich nicht mehr Auto fahren, weil ich mir nicht sicher bin, dass ich mit aller Konzentration auf der Straße bin. Wenn Jürgen fährt, kann ich auf dem Beifahrersitz schlafen. Das nennt man wohl Vertrauen. Jürgen ist der Gourmet-Fachmann der Truppe. Er diskutiert gerne mit Köchen über Rezepte, und er ist fast immer der Ansicht, dass er das Gericht zuhause ein bisschen besser zubereitet hätte. Jürgen ist ein Meister des spontanen Humors und er folgt dem Motto: »Lieber einen guten Freund verlieren als einen guten Spruch!«
Die Jungs sind keine Mitarbeiter. Sie sind mehr als Kumpels. Wir sind über die Jahre gute Freunde geworden.
Ich bin um 17 : 00 im Theater. 17 : 30 Uhr: Soundcheck. Funktioniert die Anlage noch so wie gestern? 18 : 00 Uhr: Ralf hat ein Restaurant ausgesucht. Platz nehmen im Block House. Da ist der Tisch für unsere Vierbande reserviert. Was mag es sein, Spanier, Italiener oder gutbürgerliche Küche?
19 : 30 Uhr: durchs Foyer stiefeln, Schwätzchen mit den Zuschauern. 19 : 45 Uhr: Weißweinschorle in der Garderobe. 19 : 58 Uhr: Anruf aus der Technik, Kai sagt: »Es wird Zeit, deinen gottverdammten Job zu tun.« Ich antworte: »Das Leben ist kein Ponyhof.« 20 : 00 Uhr: Saallicht aus, Bühnenlicht Spielszene 1 : »Schönen guten Abend, schön, dass Sie Zeit gefunden haben, hier vorbeizuschauen. Das trifft sich gut, ich hatte heute Abend auch nichts anderes vor.« Ja, es ist wie »arbeiten gehen«.
Das Programm dauert ungefähr bis halb elf. Dann geht’s raus ins Foyer. Jürgen hat den Tisch mit Büchern und CD s aufgebaut. Da setze ich mich hin und schreibe Autogramme, bis jeder eins hat. Das gilt nur für die, die eins wollen. Niemand wird gezwungen.
Ich mache das immer, und ich mache das gerne.
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