Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
Mitleid, nur die Verbannung in äußerste Dunkelheit. Im Allgemeinen schätze ich, dass Brian ihn unter Kontrolle hat. An Ihrer Stelle würde ich mir keine allzu großen Gedanken machen, allerdings weiß ich nicht, wie es bei Vollmond aussieht.« Der Tierarzt kicherte.
»Würde mich gar nicht überraschen, wenn der gute alte Lionel in Vollmondnächten nackt über seine Felder tanzt.«
»Lionel war nie verheiratet?«, erkundigte sich Markby.
»Nein, nicht, dass ich wüsste. Was die Sache nur noch schlimmer macht. Sein Bruder, mit dem er die Farm gemeinsam aufgebaut hat, war verheiratet. Die Frau war Brians Mutter. Da gibt es so eine Geschichte; irgendwas muss damals passiert sein, ein Skandal oder was weiß ich. Ich kenne keine Einzelheiten, es war Jahre vor meiner Zeit. Ein paar der älteren Leute auf den anderen Farmen erinnern sich noch und lassen hier und da den einen oder anderen Hinweis fallen. Brians Mutter ist weggegangen, glaube ich, und hat die beiden Männer und den Knaben Brian einfach sitzenlassen.«
»Was ist mit Brian? Arbeitet er für seinen Onkel, oder sind die beiden richtige Partner?«
»Partner. Sie besitzen das Land gemeinsam. Als Brians Vater starb, hat Brian seinen Anteil geerbt. Der Bursche tut mir ein wenig leid; er ist ein netter Kerl, aber sehr scheu. Ich denke …« Der Veterinär brach ab und betrachtete seinen Passagier von der Seite.
»Ich bin kein Klatschweib!«
»Ich wünschte, Sie wären eins. Die Art und Weise, wie ich mit den Hippies verfahre, hängt nämlich sehr stark von der Reaktion der Felstons auf mein Tun ab.«
»Was ich sagen wollte, hätte keinen Einfluss darauf gehabt. Eine Schande, dass Brian nicht geheiratet hat. Wahrscheinlich war er zu schüchtern, um hinter den Mädchen herzujagen. Das Leben mit Lionel muss Brians Libido einen heftigen Dämpfer versetzt haben.«
»Aber Sie meinen, dass Brian ein geradliniger Mensch ist?«
»Ziemlich. Obwohl ich mir vorstellen könnte, dass das Zusammenleben mit Lionel manchmal unerträglich sein muss. Ehrlich gesagt, ich bin überrascht, dass Brian keinen größeren Schaden davongetragen hat.« Sie hatten das Ende des Feldwegs erreicht.
»Schön, da wären wir«, sagte der Tierarzt und hielt an. Markby stieg aus.
»Danke.« Der Veterinär beugte sich zum Beifahrersitz hinüber und rief durch das Fenster:
»Jagen Sie einfach nur diese verdammten Nomaden zum Teufel, und Sie müssen sich über Lionel und Brian nicht länger den Kopf zerbrechen.« Markby hob die Hand zum Abschied und zum Zeichen, dass er verstanden hatte, doch insgeheim machte er sich Sorgen. Was der Tierarzt ihm erzählt hatte, deutete darauf hin, dass jeder der beiden Felstons sich als unberechenbar erweisen konnte. Tiefsitzende Verbitterung, aufgestaute Frustration, verdrehtes Denken … das war ein übles und potentiell explosives Gemisch.
KAPITEL 9
»Selbstverständlich frage ich meine Tochter, ob sie Ihr Buch signieren möchte, Sergeant!«, erwiderte Mrs. Salter.
»Noch etwas Tee?« Pearce lehnte ab. Er hatte bereits drei Tassen getrunken.
»Kommt Mrs. Woollard denn häufig nach Bamford?«, fragte er.
»Ich könnte mir denken, dass sie eine Menge zu tun hat, all dieses Schreiben und so.«
»Natalie ist eine wunderbare Tochter!«, sagte Pearces Gastgeberin entschieden. Dann schlich sich ein leichtes Stirnrunzeln in ihre Gesichtszüge.
»Vielleicht hin und wieder ein wenig vergesslich. Ich meine, sie ruft manchmal einfach nicht an und schreibt auch nicht. Dann muss ich sie anrufen und erinnern. Dieser Mann, mit dem sie verheiratet ist …« Amy Salter verstummte und schob den Teewärmer über die Kanne. Unvermittelt fuhr sie fort:
»Er kommt nicht aus dieser Gegend, wissen Sie? Ich wünschte, Natalie hätte einen Einheimischen geheiratet. Dann wäre sie häufiger zu Besuch bei mir. Aber ich glaube, die jungen Männer von Bamford waren einfach nicht das, was sie wollte.«
»Haben Sie Ihre Tochter in letzter Zeit gesehen?«, fragte Pearce.
»Ein phantastischer Kuchen, wirklich.«
»Danke sehr. Ich packe Ihnen gerne ein Stück zum Mitnehmen ein. Nein, ich habe Natalie seit einiger Zeit nicht mehr gesehen. Aber das kommt daher, dass sie in London zu tun hat.«
»Oh, sie ist in London?«, fragte Pearce verblüfft.
»Genau. Publicity, wissen Sie?« Mrs. Salter hatte offenbar Hemmungen, das Wort auszusprechen.
»Autoren sind dazu verpflichtet. Natalie besucht Buchhandlungen und muss noch ein paar andere Dinge tun. Sie bleibt für ein oder zwei
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