Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
sich unbehaglich. Er nickte ihr grüßend zu und ging nach vorn zu Mrs. Salter, um mit ihr zu sprechen.
Sie schien ihn zu kennen. Ihre steinerne Miene taute auf. Sie nahm die dargebotene Hand und sagte liebenswürdig:
»Danke sehr, Brian. Wie aufmerksam von dir, dass du gekommen bist.«
»Ich dachte, ich sollte …«, murmelte er.
»Ja, natürlich, Brian. Ich verstehe. Ich habe mir oft gewünscht, ganz besonders jetzt …« Sie brach ab, warf einen Seitenblick zu Ursula und löste ihre Hand aus Felstons Griff.
Felston entfernte sich von Amy Salter und setzte sich. Zwei oder drei weitere Leute traten noch ein, und hinter ihnen schlüpfte Chief Inspector Markby in den Raum. Immer noch keine Spur von Meredith, und bedeutsamerweise auch keine von Dan Woollard.
Wie der Gedanke, der der Tat vorangeht, öffnete sich die Tür, und Dan trat ein. Seine massige Gestalt füllte den gesamten Durchgang aus. Er trug einen Anzug, als Zeichen des Respekts für seine verstorbene Frau. Doch war er kein Mann, der auf seine Kleidung achtete, und obwohl der Anzug wahrscheinlich teuer gewesen war, sahen die verknitterte Jacke und die herabhängende Hose an ihm aus, als hätte er sie beim Trödler gekauft. Er trug einen schäbigen schwarzen Schlips. Verärgert dachte Ursula, dass er wenigstens die Hose hätte aufbügeln können.
Ursula blickte an sich herab, an ihrem grauen Rock und dem navyblauen Blazer mit den vergoldeten Knöpfen. Am Morgen hatte sie hektisch ihre Garderobe durchsucht und war zu dem Urteil gelangt, dass diese Kleidungsstücke für die Gerichtsverhandlung angemessen waren. Doch sie hatte den Rock schon ein ganzes Jahr nicht mehr getragen, und der Blazer stammte von einer ihrer Schwestern, und zwar von derjenigen, die als letzte geheiratet hatte und aus dem Elternhaus ausgezogen war. Wir müssen aussehen wie eine schäbige, unbeholfene Bande, dachte Ursula. Wie die Überlebenden eines Desasters, notdürftig ausgestattet von Oxfam und immer noch nicht sicher, was eigentlich geschehen ist. Verstohlen beobachtete sie, wie Dan zu seiner Schwiegermutter ging, um mit ihr zu sprechen, und eisig empfangen wurde. Dann nickte er Jackson und den jungen Frauen zu, bevor er zu Ursula kam und sich zu ihrer größten Bestürzung neben sie setzte.
»Wir sollten wirklich nicht nebeneinander sitzen«, murmelte sie.
»Warum denn nicht?«, entgegnete er, allerdings nicht leise genug.
»Meinst du, die Leute glauben, dass wir unter einer Decke stecken? Vielleicht haben wir uns ja verschworen und Natalie umgebracht, wie?« Sie starrte ihn schockiert und wütend an.
»Hör zu, es tut mir wirklich leid wegen deiner Frau. Es ist eine schreckliche Geschichte, aber niemandem ist damit geholfen, wenn du auf diese Weise redest!« Kalt sagte er:
»Sie ist für immer weg. Ist es nicht genau das, was wir uns gewünscht haben?«
»Nein!« Ursula bemerkte, dass sie ihre Stimme erhoben hatte. Sie blickte sich um und fuhr verstohlen fort:
»Ich habe mir das nicht gewünscht, ganz bestimmt nicht! Es macht keinen Unterschied für uns, Dan! Wir sind fertig miteinander. Wir sind seit Ewigkeiten nicht mehr zusammen, und selbst wenn es nicht so wäre, wie könnten wir nach dieser Geschichte jemals …« Sie verstummte.
»Wo auch immer Natalie jetzt ist, sie lacht sich wahrscheinlich schief über uns!«, flüsterte er wütend.
»Sie hat am Ende doch gewonnen, wie? Und uns für immer schachmatt gesetzt.« Glücklicherweise betrat der Coroner in diesem Augenblick den Raum und nahm seinen Platz am Tisch auf dem Podium ein, was Ursula eine Antwort ersparte. Das Verfahren war erfreulich kurz. Die medizinischen Gutachten bestätigten, dass der Täter Natalie mit den bloßen Händen und unter Einwirkung von Gewalt erwürgt hatte. Der Kehlkopf war gebrochen, und es gab noch weitere Druckstellen am Hals. Es war nicht möglich gewesen festzustellen, ob die Tote überrascht worden war oder sich gewehrt hatte, doch nachdem man am restlichen Körper keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung feststellen konnte und unter ihren Fingernägeln keine Spuren von fremdem Gewebe nachzuweisen waren, schien es wahrscheinlich, dass sie nur wenig oder gar keinen Widerstand geleistet hatte. Auf die Frage des Coroners hin bestätigte Dr. Fuller, dass Strangulation eine recht schnelle Angelegenheit sein konnte. Bis zu diesem Augenblick hatte Ursula das wirkliche Entsetzen über Natalies Tod nicht gespürt. Jetzt spulten sich vor ihrem geistigen Auge die grässlichen
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