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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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eigenen Ruhe. Dunkle, kühle Nächte, frische Morgen. Plötzlich wurde sie unendlich müde, so viele Gedanken belasteten sie, und obwohl es warm war, zog sie ihre Jacke fester um sich.
    »Sonntag«, sagte Reinhardt, »Sonntag und schönes Wetter. Aber hier ist kein Mensch. Kannst du das verstehen?«
    Sie schaute mit ihrem grünen, weit offenen Blick zu ihm hoch.
    »Wir sind hier«, sagte sie leise.
    Er hob das Kinn, das tat er immer, wenn er zurechtgewiesen wurde, und sie hasste diese kleine Geste, dass er niemals den Kopf senken und zustimmen konnte. Und sie hasste sich, weil sie sich vor ihm fürchtete, weil er sie im Griff hatte, die ganze Zeit war sie in der Defensive, in jeder Situation musste sie sich vorwärts tasten. Als ob es tief unten in ihm etwas gebe, dem sie nicht zu begegnen wagte. Ein Bild aus den Märchen ihrer Kindheit tauchte in ihrem Kopf auf, ein Ungeheuer, das tief unten in einem Schlammloch schlief.
    »Doch, ja verdammt«, sagte er. »Sieh dir doch an, wie leer es ist. Kein Zelt, kein Boot. Der Lindetjern ist eine Perle, aber die Leute kommen nicht her, weil sie nicht mit dem Auto hinfahren können.«
    »Deshalb sind wir doch so gern hier«, sagte sie. »Wir kommen her, weil es still ist.«
    Reinhardt suchte in seiner Tasche nach einer weiteren Zigarette, die untergehende Sonne traf seine breiten Wangenknochen und das kräftige Kinn. Und sie dachte an ihre erste Begegnung, da hatte sie gedacht, er sehe aus wie aus einem großen Stück Granit gemeißelt. Sein breites Gesicht hatte viele Kanten und Vorsprünge, die Augen lagen tief. Sonntags verzichtete er auf die Rasur und ein Schatten bedeckte den unteren Teil seines Gesichts.
    »Hier zelten Schulkinder«, fiel Kristine jetzt ein. »Die Outdoor-Sport als Wahlfach haben. Die paddeln und angeln hier und stehen um drei Uhr auf, um den Auerhahn zu hören.«
    Reinhardt zuckte mit den Schultern.
    »Hab nie kapiert, was am Zelten so toll sein soll«, behauptete er. »Man kann doch Hütten mieten. Mit richtigen Betten und Wasserklosett. Als ich klein war«, fügte er hinzu, »ist mein Alter mit mir Zelten gegangen. Er hatte ein altes grünes Vierpersonenzelt, ich konnte den Geruch nicht ausstehen, und der Schlafsack war alt und verdreckt. Im Zelt stank es nach Rauch und Erde und Petroleum, es stank nach Imprägniermittel. Konnte verdammt noch mal nicht schlafen«, sagte er, »konnte verdammt noch mal nicht atmen.«
    Kristine ging zu einem Hausrest, blieb im Steinkreis stehen.
    »Hier muss die Küche gewesen sein«, rief sie.
    Reinhardt kam hinterhergetrottet.
    »Küche ist wohl übertrieben«, sagte er lächelnd. »Du meinst die Feuerstätte?«
    Sie nickte. »Stell dir das mal vor«, sagte sie. »Sie haben Fische aus dem See gegessen und sie haben Fallen gestellt und Vögel und Hasen gefangen. Was muss das für ein stilles Leben gewesen sein, hier am Wasser.
    Auch Reinhardt trat in den Kreis, er ragte neben ihr auf, er war eins neunzig groß und hatte sehr breite Schultern.
    »Abends saßen sie am Feuer und redeten leise miteinander«, sagte sie, »und wenn die Glut erlosch, rollten sie sich unter ihren Tierfellen auf dem Boden zusammen.«
    Reinhardt lächelte strahlend. »Während ich die Bang & Olufsen-Anlage einschalte und mich in meinem Sessel zusammenrolle«, sagte er. »Scheiße, was bin ich froh, dass ich jetzt lebe.«
    Wieder verstummte Kristine. Sie konnte ihn nicht mitreißen, er wollte nicht über Leben und Menschen philosophieren. Er war ein viel beschäftigter Mann, vernünftig und sicher, ihr selbst wurde schwindlig, wenn sie sich in eine andere Zeit hineinversetzte, in der die Menschen andere Werte gehabt hatten. Als Angst etwas anderes beinhaltet hatte, als die Ängste mit denen sie selbst lebte, als Angst vielleicht die Gestalt eines Wolfs hatte, der umherstreifte und es auf die halb nackten Kinder abgesehen hatte, die am Ufer des Lindetjern spielten.
    3
     
    »Wir gehen auf einem anderen Weg zurück«, rief er.
    Er bog in den Wald ab, hielt einige Zweige zur Seite, damit sie ihr nicht ins Gesicht schlugen. Wieder gerieten sie in der tief stehenden Sonne ins Schwitzen, und nach einer halben Stunde legten sie eine Verschnaufpause ein. Vor ihnen lag eine von Tannen umgebene Lichtung, ein offenes, gelbes Feld mit Grasbüscheln und Heidekraut. In diesem Moment traf sie etwas wie ein gewaltiger Schlag.
    »Nein!«, rief Reinhardt.
    Und dann, nach einigen Sekunden, noch einmal: »Nein!«
    Kristine sah ihn verwirrt an. Er umklammerte ihren Arm

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