Wer Bist Du, Gott
Sache.
Dieses Feuer des Heiligen Geistes spüre ich bei Menschen wie Henri Nouwen, Oskar Romero oder Pierre Teilhard de Chardin (in: Schiwy 2005, S. 179), der schreibt: »Wer vom göttlichen Bereich leidenschaftlich gepackt ist, kann um sich keine Dunkelheit, keine Lauheit, keine Leere in dem ertragen, was von Gott erfüllt sein und von Gott schwingen sollte. Wenn er an die unzähligen Seelen denkt, die in der Einheit derselben Welt mit ihm verbunden sind und um die herum das Feuer der göttlichen Gegenwart noch ungenügend brennt, so fühlt er sich gleichsam erstarrt.« Wie siehst du das?
ANSELM GRÜN: Im Lukasevangelium wird der Heilige Geist als Feuer und Glut beschrieben: »Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen.Wie froh wäre ich, es würde schon brennen« (Lk 12,49). Henri Nouwen hat ja das schöne Bild gebraucht, dass viele Seelsorger ausgebrannt sind, weil sie ständig die Tür ihres Ofens offen haben. Er versteht geistliches Leben als Hüten der inneren Glut. Er beschreibt seinen Landsmann Vincent van Gogh, mit dem er sich innerlich sehr verbunden fühlte, als einen, der sein Leben lang das Feuer in seinem Ofen gehütet hat. Die Wärme des Heiligen Geistes ist in seine Bilder hineingeströmt.
Damals, so meint Henri Nouwen, nahm sich keiner die Zeit, sich am Ofen van Goghs zu wärmen. Aber heute setzen sich viele Menschen stundenlang vor seine Bilder, um die Glut, die in diesen Bildern steckt, zu erfahren und sich
daran zu wärmen. Geistliches Leben heißt für mich, die Glut des Heiligen Geistes in mir zu hüten. Dann wird diese Glut alles, was ich tue, prägen. Meine Sprache wird eine wärmende Sprache. Sie baut ein Haus, in dem sich Menschen wohlfühlen.
Heute sprechen viele - nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in der Kirche - eine kalte Sprache.Vor ihr schützen sich die Menschen, indem sie sich verschließen. Wir sehnen uns auch heute nach Menschen, in denen die Glut des Heiligen Geistes spürbar wird. In dieser kalten Welt brauchen wir Menschen, in denen die Glut des Heiligen Geistes brennt. An ihnen möchten wir uns wärmen.
»Entflammt von Liebessehnen«
WUNIBALD MÜLLER: Manchmal spüren wir die Anwesenheit und das Wirken des Heiligen Geistes besonders stark. Etwa im unsterblichen Verlieben. Jene Erfahrung, bei der wir unter einem Bann stehen, etwas in uns hineinfährt, uns überwältigt.Wo sonst noch vermag eine andere Kraft uns so urkräftig in Beschlag zu nehmen? Für mich ist das eine Erfahrung, bei der der Heilige Geist pur wirkt und waltet.
»Entflammt von Liebessehnen«, schreibt Johannes vom Kreuz in seinem Liebesgedicht über die dunkle Nacht des Geistes, der Sinne und der Seele. Es ist der Heilige Geist selbst, der das Feuer in uns entflammt, das uns am Leben erhält. Das Feuer, das unser Leben erhellt. Das Feuer, das in
uns ein »unsterbliches Sehnen« erzeugt. Oder denken wir an die Erfahrung des tremendum et fascinosum, des »heiligen Erschreckens und Erschauerns«. Da spüren, erfahren wir regelrecht die Anwesenheit des Heiligen Geistes. Da durchfährt er uns. Da bricht für Momente der Himmel in uns ein.
Für mich steckt dahinter neben dem menschlichen Verlangen nach Einswerdung und Verschmelzung die tiefe Sehnsucht, Gott zu schauen, eins mit ihm zu werden. Eine Sehnsucht, die zu Lebzeiten nicht erfüllt wird, die uns aber, gerade auch weil sie unerfüllt bleibt, immer wieder anstachelt, weiterzugehen, nicht aufzugeben. Denn unruhig ist und bleibt unser Herz, bis es ruhet in Gott.
ANSELM GRÜN: Ich erlebe viele Menschen, die todunglücklich sind, wenn sie sich verlieben, ihre Liebe aber nicht erwidert wird.Wenn wir aber das Verliebtsein als Entflammtsein durch den Heiligen Geist verstehen, dann führt uns das Verliebtsein, das alle unsere Emotionen durcheinanderbringt, letztlich in den Grund der Seele, in dem die Glut des Heiligen Geistes in uns brennt. Das Verliebtsein bringt uns in Berührung mit dieser inneren Glut, lässt uns diese Glut auch emotional erleben.
Aber es ist unsere Aufgabe, von den Emotionen immer wieder auf den Grund der Seele hinunterzusteigen. Die Glut der Liebe, die da im Heiligen Geist in uns brennt, kann uns niemand nehmen. Sie wird auch nicht zerstört, wenn unser Verliebtsein vom anderen nicht erwidert wird, sondern nur ein eigenes Gefühl bleibt. Dieses Gefühl kann ich genießen, weil es mich an die Glut der Liebe führt, die durch das Gefühl neu angefacht wird, um meinen ganzen
Leib und meine ganze Seele zu
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