Wer Bist Du, Gott
theologischen Diskussionen, die die Kirchenväter vor allem in den ersten vier Jahrhunderten darüber geführt haben, möchte ich hier nicht wiederholen.
Sie würden vielen unverständlich bleiben. So kann ich nur erläutern, wie ich das Geheimnis des einen Gottes in drei Personen verstehe.
Wichtig ist mir, dass wir Christen nur an einen einzigen Gott glauben. Wir sind also nicht Polytheisten, sondern Monotheisten. Aber dieser eine Gott zeigt sich uns in drei verschiedenen Gesichtern. Er begegnet uns jeweils anders. Diese Formen der Begegnung haben die Kirchenväter mit persona bezeichnet. Der Begriff persona meint dabei, in Beziehung zu sein. Gott ist nicht einfach eine Substanz, er ist von seinem Wesen her immer in Beziehung zu sich selbst und zu uns.
WUNIBALD MÜLLER: Gott begegnet uns jeweils anders. Darüber kann ich einen Zugang zur Dreifaltigkeit bekommen. Einmal ist es Gott, an den ich mich wende, zu dem ich bete. Dann ist es Jesus, mit dem ich mich zum Beispiel im Herzensgebet verbunden fühle. Oder ich erflehe den Beistand des Heiligen Geistes. Bei allem handelt es sich für mich dabei um den einen Gott. Hier ist für mich die Lehre vom dreifaltigen Gott keine Spekulation.
ANSELM GRÜN: Auch für mich ist die Lehre vom dreifaltigen Gott nicht reine Spekulation. Sie versucht vielmehr, mit dem Verstand die Erfahrung zu begreifen, die die frühen Christen mit Gott gemacht haben. Sie haben mit den Juden gemeinsam Gott als Vater und Schöpfer der Welt erfahren. Aber sie haben in Jesus einen Menschen erlebt, der sich Sohn Gottes nannte und sich mit Gott eins wusste, aber dennoch Gott mit Vater ansprach. Also war Jesus nicht einfach
Gott. In ihm ist uns Gott in einer menschlichen Person begegnet und unser Bruder geworden.
In Jesus begegnet uns Gott als der, der mit uns unsere Wege geht und der uns Anteil schenkt an seinem göttlichen Leben, indem er uns den Heiligen Geist sendet. Der Heilige Geist ist die Weise, wie Gott in uns ist. Der Heilige Geist durchdringt uns. In ihm atmet Gott selbst in uns.Vater, Sohn und Heiliger Geist bezeichnen also unsere Beziehung zu Gott. Die Beziehung, die das Sprechen vom dreifaltigen Gott meint, ist eine offene Beziehung: Gott ist ein offener Gott, der uns hineinzieht in die Gemeinschaft seiner Liebe.
Bei allem Versuch, das Geheimnis des dreifaltigen Gottes zu verstehen, bleibt uns das Mysterium letztlich verborgen. Wenn wir vom dreifaltigen Gott sprechen, dann ist es immer ein Stammeln über den Gott, der es gewagt hat, in Jesus Christus Mensch zu werden und nun im Heiligen Geist in uns selbst zu wohnen. Er durchdringt uns immer mehr mit dem Geist seines Sohnes, damit wir im Geist Jesu und von seinem Geist erfüllt diese Welt nach Gottes Willen gestalten. Die Theologie hat versucht, die Erfahrung, die die Christen mit Gott machten, nicht nur als Spiegelungen der eigenen Seele zu sehen, die wir auf Gott projizieren, sondern aus der Erfahrung heraus auch Aussagen über Gott an sich zu machen. Dies immer im Bewusstsein, dass jede menschliche Aussage über Gott zwar etwas Wesentliches von Gott trifft, dass Gott aber trotz aller Erkenntnis immer das unbegreifliche Geheimnis bleibt.
Wie siehst du das Geheimnis des dreifaltigen Gottes und wie prägt es dein Leben? Hat es überhaupt eine Auswirkung auf deine Spiritualität?
WUNIBALD MÜLLER: Ich kann sehr viel mit Gott, Jesus und dem Heiligen Geist anfangen, wenn ich dabei von dem einen Gott spreche. Es sind Ausfaltungen und Wirklichkeiten des Einen. Ich denke an eine Holzfigur aus dem 17. Jahrhundert, »Dreigesicht« genannt, die die Dreifaltigkeit darstellt. In Jesus nimmt Gott menschliche Gestalt an, im Heiligen Geist wirkt er mitten unter uns.
Für meine Spiritualität ist es nicht so sehr der dreifaltige Gott, der mich dabei beeinflusst. Es ist das Zusammenspiel von Gott, Jesus und dem Heiligen Geist. Die Menschwerdung Gottes führt uns in die Niederungen des Lebens, die sie zugleich heiligt. Es ist der Alltag in all seiner Banalität und zuweilen auch Brutalität. Es ist unsere Wirklichkeit hier auf Erden mit allen ihren Wundern und Abarten, mit dem Glück, der Verzweiflung, den Freuden und Tragödien. In dieser Welt wurde Gott Mensch, wurde er messbar, konkret, Person.
Jesus zeigt die beiden Bewegungen an, die wir vollführen müssen, um ganz zu werden. Bei der aufsteigenden Bewegung schließen wir uns an den grenzenlosen Gott an. Die absteigende Bewegung zeigt sich in der Menschwerdung Gottes,
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