Wer Bist Du, Gott
durchdringen und zu wärmen.
WUNIBALD MÜLLER: So tragen wir zu unserer Ganzheit, zu unserer Heiligkeit bei, wenn wir Eros in unserem Leben zulassen. Wir werden dadurch präsenter und kommen dem uns zugesagten Leben in Fülle näher. »Die Ehre Gottes ist der lebendige Mensch«, meinte Irenäus von Lyon. Der Mensch aber lebt und nährt sich auch von Eros, der seine Sehnsucht nach Gott anstachelt und anfeuert. Aufgabe von Spiritualität ist es, diese Sehnsucht, Eros zu gestalten, sie fruchtbar zu machen für unsere Heiligkeit und sie nicht zu unterdrücken. Ist es doch Gott selbst, der in unserem Eros durch das, was er in uns auslöst, zu uns spricht und wirkt. Gott will nicht, dass wir ihn stoppen, sondern dass wir uns davon überraschen lassen für unser Leben hier, heute und jetzt. Um in Fülle zu leben und aus dieser Fülle heraus uns zu verschwenden für andere.
Dabei kann ich den Heiligen Geist natürlich nicht mit Eros gleichsetzen. Ich kann aber im Eros eine mögliche Dynamik des Heiligen Geistes sehen, ohne jetzt den Heiligen Geist darauf zu beschränken, weil er natürlich viel mehr ist und auf diese Erfahrungsmomente nicht reduziert werden kann und darf. Wenn ich offen dafür bin, wird der Heilige Geist für mich konkret erfahrbar.
ANSELM GRÜN: Der Heilige Geist darf sicher nicht mit dem Eros gleichgesetzt werden. Er wirkt im Eros. Aber er wirkt auch in der Alltäglichkeit meines Lebens. Die geistliche Tradition hat ja verschiedene Bilder vom Heiligen Geist
beschrieben. Der Heilige Geist ist der Atem, der uns durchdringt. Er ist der Sturm, der uns durchweht, der uns begeistert, aber auch alles Verstaubte aus uns herausweht. Er ist die Quelle, die in mir sprudelt, mich erfrischt und stärkt. Und er ist die Glut, die mich wärmt und mit Liebe erfüllt. Schließlich ist er die Kraft, die mich antreibt, wenn ich mich kraftlos fühle.
Jesus nennt den Heiligen Geist oft den Beistand, der bei uns ist, zu uns steht und uns beisteht, wenn wir angegriffen werden. All das sind nur Bilder, die das geheimnisvolle Wirken des Heiligen Geistes beschreiben. Und - so sagt die Dogmatik - der Heilige Geist ist Gott. In ihm berührt mich Gott. Der Heilige Geist ist der erfahrbare Gott, der Gott, der in meine menschliche Erfahrung hineinwirkt.
Der Heilige Geist lässt sich von niemandem vereinnahmen
WUNIBALD MÜLLER: In solchen menschlichen Erfahrungen spüre ich den Heiligen Geist, da macht er etwas mit mir. Ich spreche dann nicht nur über den Heiligen Geist. Er belebt mich, wirkt direkt in mein Leben hinein. Er erfüllt mich. Ich kann dann in den Eröffnungsgesang des Pfingstfestes einstimmen: Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis . Der Geist des Herrn erfüllt alles in mir und um mich herum. »In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir« (Apg 17,28).
Dabei weiß ich sehr wohl, dass der Heilige Geist letztlich unsagbar bleibt. Ich weiß, dass alles, was ich von ihm sage, ein Stammeln bleibt, das allenfalls im Rahmen meiner menschlichen Möglichkeiten eine vage Andeutung von etwas darstellt, was unsagbar bleibt. Das ist ja auch gut so. Es schafft Spannung, lässt uns in Bewegung bleiben, treibt uns an. Wir wollen es wissen, wollen es erfahren, wollen den Göttern gleich werden. Daher sind wir gut beraten, uns vor allem auch dann zurückzuhalten, wenn es darum geht, zu entscheiden, ob etwas von Gott kommt oder nicht. Das gilt für mich in besonderer Weise, wenn jemand für sich beansprucht, das, was er sage, gehe auf den Heiligen Geist zurück. Darüber haben wir ja schon im Zusammenhang mit den entschiedenen Christen gesprochen.
Meine Erfahrungen in der Psychotherapie haben mir gezeigt, dass manche Personen, die sich charismatisch ausgerichteten Gruppen angeschlossen haben, ihr mitunter sehr intolerantes und lebensverneinendes Verhalten spirituell verbrämen. Dahinter versteckt sich in Wirklichkeit ein kaum zu knackender Widerstand. Das kann so weit gehen, dass die Betreffenden therapieresistent sind. Hier wird nach meiner Einschätzung die eigene, mitunter recht eigenwillige und problematische Ideologie »verspiritualisiert«. Von einem Wirken des Heiligen Geistes ist wenig, sprich nichts zu spüren.
»An den Heiligen Geist, den Geist Jesu Christi zu glauben, heißt wissen, dass der Geist nie meine eigene Möglichkeit ist, sondern immer Kraft, Macht, Geschenk Gottes«, sagte einmal Hans Küng (1978, S. 762). Das dürfen wir nie vergessen. Charismatische Gruppen nicht, aber auch die
Kirchen
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