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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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haben. Das mag für jene, die sich in ihren theologischen und mitunter auch kirchlichen Konzepten verschanzt haben, zu einer großen Herausforderung werden. Dieser Herausforderung werden sie sich vermutlich nur stellen, wenn - um es spirituell auszudrücken - Gott in ihren Konzepten eine undichte Stelle entdeckt, durch die er Eingang findet.
    Wenn die Mauern aus Ideologie und Konzepten, die uns den Blick auf Gott verstellt haben, geschleift worden sind, dann halten uns auch unsere unterschiedlichen Traditionen, unsere unterschiedlichen Orthodoxien und Orthopraxien
nicht davon ab, uns in Respekt und Liebe zu begegnen. Dann dürfte es auch keine so großen Unterschiede geben zwischen dem Hirten und der Herde innerhalb der jeweiligen Glaubens- und Konfessionsgemeinschaften. Dann dürfte die Orthodoxie nicht wichtiger sein als die Orthopraxie, die aber immer nur die Vergegenwärtigung und Verlebendigung von Liebe sein kann und sein wird. »Hätte ich aber die Liebe nicht, so nützte es mir nichts«, wie es im ersten Brief des Paulus an die Korinther im Kapitel 13 heißt.

Bilder des unbegreiflichen Gottes
    ANSELM GRÜN: Wenn ich die dogmatischen Aussagen als Bilder des unbegreiflichen Gottes verstehe, dann bleibe ich auch in der Diskussion mit Theologen anderer Konfessionen oder auch mit Vertretern anderer Religionen bescheiden. Ich weiß, dass Gott allein die Wahrheit ist.Wir sind nie im Besitz der Wahrheit. Wir dürfen vertrauen, dass die dogmatischen Aussagen der Wahrheit nahekommen, dass sie in die richtige Richtung weisen, dass sie einen Zipfel der Wahrheit Gottes erfassen.
    Aber die ganze Wahrheit lässt sich nicht in menschlichen Worten zusammenfassen. Gott allein ist die ganze Wahrheit. Diese Wahrheit entzieht sich aber unserem Zugriff. Wir können immer nur wahre Aussagen machen über die letztlich unzugängliche Wahrheit. Wenn die Theologen sich in
ihren Diskussionen dessen bewusst sind, wird ihr Gespräch von Achtung und Respekt geprägt sein. Und sie werden offen sein, ob die Aussagen des anderen nicht auch einen Aspekt der Wahrheit beschreiben, den sie selbst bisher noch nicht bedacht haben.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Bis dorthin ist es aber ein langer Weg, der voraussetzt, dass ich mich frei mache von äußeren, mich einschränkenden, mir den Blick verdunkelnden Einflüssen. Ich muss mich befreien von Ideologien, Rechthabereien, Wahrheiten, die mit der Liebe nicht in Einklang zu bringen sind. Solche Wahrheiten taugen nur dann, haben nur dann ihre Bedeutung, wenn sie der Begegnung mit Gott dienen, diese fördern. Wenn sie dazu beitragen, dass unser Inneres als Liebe, in der Gott selbst anwesend ist, nach außen fließen kann und dort im konkreten Tun Gestalt annimmt.
    Wenn ich mit meinem Innersten in Berührung bin, bin ich Gott nahe. In meinem Innersten begegnet mir Gott, dort ist Gott selbst anwesend. Seine unfassbare, geheimnisvolle Gegenwart kann ich erahnen, vielleicht auch spüren und wahrnehmen, wenn die Mauer um mich, um mein Innerstes durchbrochen wird und ich durchlässig werde. Man kann auch sagen, dass ich nur dann wirklich mit meinem Innersten in Berührung bin, wenn ich mit Gott in Berührung bin. Will ich also mit meinem Innersten in Kontakt kommen, muss ich offen dafür sein, mit Gott in Kontakt zu kommen. Hier kann ich ihm nicht ausweichen. Es ist wie bei den Träumen, die mich unausweichlich mit der Wirklichkeit und Wahrheit meines Lebens konfrontieren. Bin ich
bereit, mich auf meine Träume einzulassen, so muss ich bereit sein, mich der Wirklichkeit und Wahrheit meines Lebens zu stellen.
    Dogmen, die Lehren einer Kirche, stehen im Dienst dieser Hinwendung zu Gott. Solange sie dazu beitragen, erfüllen sie ihre Aufgabe, tragen sie nicht dazu bei, ja erschweren sie die Hinwendung zu Gott, so haben sie ihre Berechtigung verloren.
     
     
    ANSELM GRÜN: Alle dogmatischen Aussagen haben für mich die Aufgabe, die Würde und das Geheimnis des Menschen zu schützen. Sie dienen letztlich dem Menschen. C.G. Jung sagte einmal, Gott sei das stärkste archetypische Bild. Wenn dieses Bild krank ist, wird der ganze Mensch krank. Daher ist die dogmatische Arbeit am richtigen Gottesbild letztlich eine therapeutische Arbeit. Sie dient dem Menschen, dass er ein gesund machendes Gottesbild entdeckt, das auch seiner Heilung dient.
    Nach einem Wort des jüdischen Philosophen Max Horkheimer haben die sperrigen dogmatischen Aussagen die Aufgabe, in unserer Gesellschaft die Sehnsucht nach dem ganz Anderen

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