Wer Bist Du, Gott
Selbstbild des Klienten geht, um ein Selbstbild, das seinem Wesen als Mensch entspricht. Wie siehst du die Auswirkung dieses Gottesbildes auf das Selbstbild des Menschen?
WUNIBALD MÜLLER: Was soll, kann ich dazu sagen? Zunächst finde ich es gar nicht so leicht, das zu verstehen, was Joseph Ratzinger hier meint. Am stärksten ist für mich die Aussage, die ja gleichsam deine Schlussfolgerung ist, dass ich mich selbst nach diesem trinitarischen Gottesbild gar nicht anders sehen kann als einen, der in seinem innersten Wesen
schon auf Gott bezogen ist und das zu einem optimistischen Selbstbild führt. Ich bin für Gott ein Dialogpartner und nicht einfach sein Befehlsempfänger.
Dann bleibt es spannend in der Beziehung zu Gott. Denn aus einem solchen Verhältnis erwachsen Freiheit und Verantwortung zugleich. Ich weiß mich im Letzten gehalten und geführt von Gott, und zugleich eröffnet sich mir ein riesiger Spielraum. Ich kann bestimmen, wie ich mein Leben gestalte, wofür und wogegen ich mich entscheide. Das kann zu einer großen Herausforderung für jene werden, die sich schwertun, eigene Verantwortung für ihr Leben und für ihre Entscheidungen zu übernehmen. Anderen wiederum, die bereit sind, Leben zu wagen und Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen, kommt eine solche dialogisch ausgerichtete Beziehung zu Gott entgegen. Sie fixieren sich nicht darauf, kleinlich alles zu befolgen, was anscheinend Gottes Wille ist, sondern entnehmen dieser partnerschaftlichen Beziehung auch die Botschaft: Überrasche mich, indem du dir zutraust zu leben!
Aber was das jetzt mit der Dreifaltigkeit zu tun hat? Vielleicht, weil es dann spannend bleibt und das genau das ist, was den dreifaltigen Gott ausmacht. Bei ihm ist nicht alles festgelegt, da gibt es Bewegung, da herrscht Dynamik. Gott ist keine statische Größe, schon gar nicht eine messbare. Der dreifaltige Gott ist Gott in Bewegung, der sich nicht festlegen lässt - von niemandem, auch nicht einer Religion oder Kirche.
Der Mensch, der in sich Dialog ist
ANSELM GRÜN: Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Theologen sich in der Verkündigung der frohen Botschaft bei den Hörerinnen und Hörern gleichsam entschuldigen, ihnen die schwierige Lehre vom dreifaltigen Gott nahezubringen. Das Engagement, mit dem die Kirchenväter früher um diese Lehre gerungen haben, wäre aber für mich eine Herausforderung, die Gedanken über den dreifaltigen Gott heute so zu formulieren, dass die Christen ein neues Selbstverständnis und auch ein gesundes Selbstbewusstsein finden.
Es wäre das Selbstverständnis von Personalität und Interpersonalität, das Verständnis des Menschen, der in sich schon Dialog ist, der in sich auf ein Du bezogen ist. Sein Wesen kann er nicht verwirklichen, wenn er nur um sich kreist, um seine eigene Vervollkommnung, sondern wenn er beziehungsfähig ist, in Beziehung tritt und in der Beziehung zu anderen das Geheimnis seines eigenen Personseins entdeckt.
Von daher werfen das Wort Jesu »Ich und der Vater sind eins« und die Bitte, »damit sie eins werden, wie wir eins sind« (Joh 17,11.22), ein neues Licht auf das Geheimnis unserer christlichen Existenz. Wie Jesus sollen wir unser Sein als »von - her« und »auf - hin« verstehen. Wenn wir erkennen, dass wir aus Gott sind und auf Gott hin existieren, dann sind wir eins mit Gott und eins mit uns selbst, und dann werden wir fähig, auch miteinander eins zu werden.
WUNIBALD MÜLLER: Du sprichst hier einen Gedanken an, der mir immer wichtiger wird. Ich will es einmal so formulieren: Eine Selbstverwirklichung, die nicht in die Hingabe führt, bleibt auf halbem Wege stecken oder kommt auf halbem Wege zum Stehen. Jeder und jede soll sich, so gut es geht, verwirklichen, soll das, was in ihm oder ihr steckt, zur Entfaltung bringen. Dieser Selbstverwirklichungsprozess als Teil unserer Menschwerdung findet aber seine Vollendung erst über die Beziehungsfähigkeit in der Hingabefähigkeit - an eine Sache, an Menschen, an Gott.
So wie Gott nicht narzisstisch um sich kreist, sondern sich in seiner Menschwerdung uns zuwendet, sich in seinem Tod für uns hingibt und als Heiliger Geist uns heute seine Liebe schenkt, so sind auch wir aufgefordert, aus dem Kreisen um uns auszusteigen und uns den anderen zuzuwenden, um so erst wirklich Mensch zu werden.Wenn ich mich von Gott her verstehe, überlasse ich mich dem Prozess meiner Menschwerdung und gestalte ihn, angefeuert vom Heiligen Geist. Wenn
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