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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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geliebter Sohn oder Gottes geliebte Tochter zu sein, was in der Tauffeier besiegelt wird. Als Gottes Sohn oder Tochter will ich aber auch entsprechend leben und mein Leben gestalten. Das bedeutet, immer wieder auch andere Menschen in unser Leben einzubeziehen.
     
     
    ANSELM GRÜN: Im Urlaub wandere ich am liebsten in den Bergen. Mit meinen Geschwistern mache ich dann täglich Bergtouren. Da brauche ich immer auch das schweigende Gehen, um das Geheimnis der Natur um mich herum wahrzunehmen. Im Sommer mache ich meine Meditation mit dem Jesus-Gebet oft in unserer Bachallee. Auch dort fühle ich mich von der frischen Morgenluft umgeben und spüre darin Gottes erfrischende Gegenwart.
    Die Kirche hat lange Zeit die Gotteserfahrung in der Natur als reine Naturfrömmigkeit abgetan. Aber die frühe Kirche hat bewusst die Feste des Kirchenjahres mit Naturfesten verbunden. Das Geheimnis der Auferstehung Jesu erfahre ich eben auch, wenn ich durch die Frühlingswiesen wandere und spüre, dass das Leben überall aufblüht, dass das Leben stärker ist als der Tod. Beides gehört für mich zusammen: die Erfahrung Gottes in der Natur und die Erfahrung Gottes in der Meditation, im Gebet und in der Eucharistie.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Von den mittelalterlichen Mystikern in Safed wird berichtet, dass sie zu Beginn des Sabbats hinaus auf die Felder gingen, um die Anwesenheit Gottes zu begrüßen. Die Anwesenheit Gottes wurde dabei oft mit weiblichen Begriffen und Vergleichen wie der Erde, dem Mond und der Nacht umschrieben. Später blieben davon nur noch ein kurzer Gang in den Synagogenhof beziehungsweise ein kurzes Öffnen der Synagogentür und eine Verbeugung in Richtung Westen übrig, um den Sabbat zu begrüßen. Eine Öffnung hin zur Schöpfung und wie sie sich uns in der Natur zeigt, kann zu einer Verlebendigung der Eucharistiefeier beitragen. Nicht umsonst sind ja auch Wanderexerzitien, oft verbunden mit Eucharistiefeiern, so beliebt.
     
     
    ANSELM GRÜN: Eucharistie feiern wir ja mit den Gaben der Schöpfung, mit Brot und Wein. Im Kirchenschmuck nehmen wir die Natur hinein in den heiligen Raum. Mich hat eine Vision von Teilhard de Chardin, dem französischen Jesuiten und Naturforscher, fasziniert. Da hält er allein in einer Dorfkirche Anbetung vor der Monstranz mit der verwandelten Hostie in ihrem Zentrum. Auf einmal ist es ihm, als ob das Weiß der Hostie den Kirchenraum erfüllt, aus der Kirche herausdrängt und die Natur mit ihrer Weise durchdringt. Christus, den er in der Monstranz sieht, wird für ihn zum kosmischen Christus. Teilhard de Chardin spricht von amorisation. Die gesamte Natur ist von der Liebe Jesu durchdrungen, die er in der Hostie anblickt.

Göttliche Energie auftanken
    WUNIBALD MÜLLER: Die Feier der Eucharistie oder des Abendmahles ist für mich auch eine besondere Form der Verankerung im Ewigen. In der Eucharistiefeier erinnern wir uns an unsere Erlösung und feiern sie. In diesem Augenblick werden wir der Vergegenwärtigung und Wandlung von Kreuz und Auferstehung teilhaft. Es ist der Augenblick, in dem wir an Gott angeschlossen werden, neue göttliche Energie auftanken, ohne dabei zu explodieren, da das Ritual die Begegnung mit dem unermesslichen Gott kanalisiert. Dabei ist auch entscheidend: »Diese Vergegenwärtigung geschieht nicht durch uns, sie ist nicht unser Werk. Sie geschieht im Heiligen Geist, den wir in der Epiklese an entscheidender Stelle der Liturgie anrufen und auf die Gaben von Brot und Wein herabrufen« (Kasper 2007, S. 31).
    Die Teilnahme an einer Eucharistiefeier kann so eine Zeit sein, bei der wir »aufgetankt« werden mit göttlicher Energie. Sie ermöglicht es uns, über eine längere Zeit die erfahrene Anwesenheit Gottes zu kosten. Dabei hängt es von uns ab, ob diese Zeit des Feierns und Betens unsere Wahrnehmung von Gottes Anwesenheit schärft und vertieft, oder ob wir lediglich eine Abfolge von Gebeten, Gesängen und Ritualen verrichten. Mir kommt bei meiner Sehnsucht, während der Eucharistiefeier mit Gott in Berührung zu kommen, das Wenige, das Ruhige entgegen. Lautes und ständiges Beten, das durchaus auch seine Berechtigung hat und das ich auch kenne, verhindert vielfach, mit Gott in Kontakt zu kommen. Ganz dichte Momente der Begegnung mit Gott können die Wandlung oder der Empfang der
heiligen Kommunion für mich werden. Da kann es geschehen, dass ich regelrecht die Anwesenheit des Unermesslichen, Unbegreiflichen, Geheimnisvollen spüre oder erfahre.
    Oder wenn ich

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