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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Menschseins führen.

Du sollst dir kein Bild von Gott machen
    WUNIBALD MÜLLER: Da zeigt sich, wie recht das Alte Testament hat, wenn es dort heißt, wir sollen uns kein Bild von Gott machen. Wie gut wir beraten sind, uns immer wieder von den Bildern von Gott zu lösen, die wir verständlicherweise in uns malen und haben. Das kann uns davor bewahren, uns, was Gott betrifft, einzurichten, Gott auf unsere Ebene herabzuholen. Es bleibt dann spannend, weil da etwas nicht ganz geklärt und gelöst ist, wir aber daran interessiert sind, es wissen wollen.
    Gnade aber, davon bin ich überzeugt, ereignet sich vor allem in der Spannung und nicht so sehr in der Lösung. In
dieser Offenheit, dadurch, dass wir uns nicht festlegen, was und wie Gott ist, schaffen wir Gott selbst die besten Voraussetzungen, sich uns so zu zeigen, wie er ist, vor allem aber an uns und in uns so zu wirken, wie es ihm gefällt.
     
     
    ANSELM GRÜN: Die Bibel sagt: »Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit« (Ps 111,10). Jede tiefe Erfahrung erzeugt in uns Furcht, ein Erschauern und Erschrecken. Ein Sonnenuntergang kann uns unter die Haut fahren, ebenso das Rauschen des Windes. Heute sind wir in Gefahr, Gott als allzu lieblich zu schildern. Natürlich ist Gott die Liebe. Aber Gott ist auch der Heilige, der sich unserem Zugriff entzieht. Und er ist der, der in uns Schrecken hervorrufen kann.
    Als wir 1975 einen Kurs über Beten im Mönchtum hielten und dazu Ordensleute und Psychologen aus Rütte eingeladen hatten, da meinten einige Ordensleute, wir - das waren Pater Fidelis, Pater Meinrad, Pater Udo und ich - würden wieder konservativ, weil wir von Furcht Gottes und Reinheit des Herzens sprachen - von den alten Worten, die die Mönche für ihre Erfahrung Gottes benutzt hatten. Heute könne man doch nicht mehr von Furcht Gottes sprechen, Gott sei doch reine Liebe! Da entgegnete eine Psychologin, sie verstehe sehr gut, was wir damit meinten. Denn ihr sei Gott schon »in die Knochen« gefahren.
    Wir dürfen Gott nicht auf unsere Stufe hinabziehen. Als der Heilige ist er der, der sich unserem Zugriff entzieht. Karl Rahner wird nicht müde, von der Unbegreiflichkeit Gottes zu sprechen, von dem Gott, der sich unserem Verstehen entzieht, und von dem Gott, vor dem wir uns anbetend verneigen,
weil wir ihn nicht begreifen und weil er unendlich größer ist als wir. Nur wenn wir diesen Aspekt des tremendum bewahren, können wir richtig von Gott sprechen.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Ein Aspekt, der hier auch anklingt, bezieht sich auf den Respekt, den ich vor Gott habe oder nicht habe. Oder man kann auch von der Ehrfurcht sprechen, die ich gegenüber Gott empfinde. Furcht vor Gott wird hier verstanden als Ehrfurcht, als Respekt gegenüber einer höheren Macht. Diese Ehrfurcht und Würdigung führen dazu, dass wir Gott verehren, uns vor ihm verneigen. Sie führen dazu, dass wir uns dieser größeren und höheren Macht überlassen. Das schützt uns vor der Überheblichkeit, vor der Gefahr, uns selbst an die Stelle Gottes zu setzen.Wir werden an unsere Grenzen erinnert. Das gilt für jeden Einzelnen in seinem privaten und beruflichen Leben. Es gilt gleichermaßen - und da vielleicht sogar noch in besonderer Weise - für die Personen, die eine besondere Verantwortung tragen, zum Beispiel Wissenschaftler oder Politiker.
    Furcht vor Gott in diesem Sinne finde ich richtig und wichtig. Wer in dieser Furcht vor Gott lebt, der ist sensibel dafür, was sein Verhalten auslöst, ob er seine Grenzen überschreitet. Sein Umgang mit der Schöpfung und den Menschen wird geprägt sein von dieser Furcht als Ehrfurcht vor Gott.
    Wir sind in unserem Gespräch auf die Bedeutung, die der Verankerung in Gott zukommt, um uns vor Überschätzung und Hybris zu schützen, eingegangen. Sehr eindrucksvoll beschreibt das C.G. Jung (2001, S. 103f.) in seinem Buch Antwort auf Hiob :

    »Auf den Menschen kommt es nun an: Ungeheuere Macht der Zerstörung ist in seine Hand gegeben, und die Frage ist, ob er dem Willen, sie zu gebrauchen, widerstehen und ihn mit dem Geiste der Liebe und Weisheit bändigen kann. Aus eigener Kraft allein wird er dazu kaum fähig sein. Er bedarf dazu eines ›Anwaltes‹ im Himmel... Es kommt jetzt nur noch darauf an, ob der Mensch eine höhere moralische Stufe, das heißt ein höheres Niveau des Bewusstseins zu erklimmen vermag, um der übermenschlichen Macht, die ihm die gefallenen Engel zugespielt haben, gewachsen zu sein.«

Der dunkle Gott
    ANSELM GRÜN:

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