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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Impuls, sich gegen Gott zu entscheiden. Ich will nicht an einen Gott glauben, wenn es Leid gibt. So tut es Iwan Karamasow in Dostojewskis Roman Die Brüder Karamasow. Er will die von Gott geschaffene Welt nicht akzeptieren. Für ihn ist der Preis zu hoch, den er als Mensch für das Leid, das die Welt erfüllt, zahlen muss. »Meine Tasche erlaubt es mir durchaus nicht, so hohen Eintrittspreis zu zahlen. Daher beeile ich mich auch, meine Eintrittskarte zurückzugeben. Nicht, dass ich Gott nicht gelten lasse, Aljoscha, aber ergebenst gebe ich ihm die Eintrittskarte zurück.«
    Für andere ist das Leid gerade die Herausforderung, sich
von Neuem auf den Weg zu Gott zu machen. Das Leid erschüttert sie und stellt sie vor die Frage, wie sie einen Sinn in ihrem Leben sehen wollen. Oft bricht uns das Leid auf, damit wir in Gott den Sinn und Grund unseres Lebens erkennen. Das Leid ist weder ein Beweis für Gott noch ein Beweis gegen Gott. Aber es ist auf jeden Fall eine Herausforderung, nicht zu naiv von Gott zu reden. Das Leid stellt mein Gottesbild infrage und zwingt mich, die Unbegreiflichkeit des Leids mit der Unbegreiflichkeit Gottes zu verbinden, wie es Karl Rahner getan hat.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Ich erinnere mich an eine Klientin, die nach einem Unfall nicht länger an Gott glauben konnte. Sie konnte es Gott nicht verzeihen, dass ihr das widerfahren war. Für sie wäre - spirituell betrachtet - diese Erfahrung eine Chance gewesen, spirituell nachzureifen. Sie hätte ihr Bild von Gott, der sie vor Leid, vor der Erfahrung von Angst und Abstürzen zu bewahren hat, als absurd entlarven und ihre engen Vorstellungen von Gott weiten können.
    Doch du wolltest noch einen weiteren Aspekt erwähnen, der im Zusammenhang mit Leid und Gott eine Rolle spielt.
     
     
    ANSELM GRÜN: Die zweite Frage ist die Frage nach dem Warum. Diese Frage kann ich nicht beantworten. Denn ich weiß nicht, was Gott denkt. Ich kann mich nicht über Gott stellen und erkennen, welche Gedanken bei Gott ablaufen. Ich kann nur feststellen, dass es Leid gibt, dass das Leid oft ungerecht Menschen trifft. Da bekommt ein Mann, der sich mit seiner ganzen Kraft für andere Menschen eingesetzt hat, einen unheilbaren Krebs. Ich kann darin keinen Sinn erkennen.
Ich kann nur überlegen, wie ich auf das Leid reagiere. Dabei kann mir der Glaube helfen.
    Aber eine Erklärung für das Leid gibt mir der Glaube nicht. Das Leid ist für mich immer wieder die Herausforderung, meine Vorstellungen von mir selbst, von meinem Leben und von Gott zerbrechen zu lassen, damit ich aufgebrochen werde für mein wahres Selbst, für neue Möglichkeiten meines Lebens und für den unbegreiflichen Gott.
     
     
    WUNIBALD MÜLLER: Ohne jetzt Leiderfahrungen schönreden zu wollen, so können sie unsere Beziehung zu Gott intensivieren und innerlicher machen. »Ich vermisse meinen Krebs«, vertraute eine Frau einmal ihrem Seelsorger an. Solange sie dachte, krebskrank zu sein, hatte sie eine innige Beziehung zu Gott, hatte sie sich ganz ihm überlassen. In Zeiten äußerer und innerer Not kann Gott uns viel näher sein als in Zeiten, in denen es uns gut geht. Das ist die eine Seite.Andererseits bedarf es aber auch zuweilen der Korrektur eines Gottesbildes, das Gott einseitig mit Gesundheit, Wohlergehen und Abwesenheit von Leid verbindet.
     
     
    ANSELM GRÜN: Jede Krankheit ist eine Herausforderung, das eigene Gottesbild infrage zu stellen. Peter Schellenbaum meint zu Recht, dass wir oft ein zu harmloses Gottesbild in uns tragen.Von diesen harmlosen, »fade gewordenen« Gottesbildern geht kein Impuls mehr für die Selbstwerdung des Menschen aus. Nur wenn Gott der Unbegreifliche ist, der Dunkle, der uns in dunkle und bisher unbekannte Bereiche unserer Seele führt, bleiben wir innerlich auf dem Weg.Wer ein zu glattes Gottesbild in sich trägt, bleibt innerlich stehen.
Gerade in der Auseinandersetzung mit dem Gott, an dem wir uns reiben, kommen wir innerlich weiter, entdecken wir in uns Bereiche unseres Selbst, die uns bisher verborgen geblieben sind.
    Ich kenne in mir auch die Gefahr, dass ich mir Gott »zurechtlege«. Doch dann begegnet mir Gott gerade in Situationen, die auf den ersten Blick nichts mit Gott zu tun haben, so wie Jakob gerade in der Nacht im Kampf mit dem dunklen Mann Gott begegnete und auf diese Weise einen großen Schritt auf seinem Weg der Selbstwerdung gemacht hat. Manchmal sind es gerade die Worte Jesu, über die ich mich ärgere, die mich in neue Bereiche meines

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