Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
stetig fließen.“
Konrad nahm das Messer und macht sich eilfertig daran, seinen Auftrag auszuführen. Während sein Kinn ihm pochend die Erinnerung an seinen schmachvollen Sturz zu Boden nach einem hinterhältigen Faustschlag im Gedächtnis erhielt, hockte er sich an die Seite des Altares nieder und erfüllte genüsslich den Wunsch des Priesters.
Der Priester stellte sich unterdessen an das Kopfende des Altares, kreuzte die Hände vor der Brust und begann mit einem konzentrierten, ruhigen Gesang, der einen viel weicheren Rhythmus besaß, als der vorherige. Und
Robert schien sich endgültig seinem Schicksal zu ergeben, denn er versuchte gar nicht erst, seine Fingerspitzen Konrads Zugriff zu entziehen, indem er die Hand ballte. Vielleicht hätte eben dieses Ballen der Hand ohnehin mehr Schmerzen verursacht, als Konrad ihm jetzt mit dem Messer zufügte.
Das Blut begann von den Fingern der linken Hand in die bereitgestellte Schale zu fließen, und Konrad wechselte die Seite, um sein Werk fortzusetzen. Robert schien beschlossen zu haben, sich eher selbst die Zunge abzubeißen, als irgendeinen Schmerzenslaut von sich zu geben. Hin und wieder vernahm Konrad einen besonders scharfen Atemzug, doch ansonsten blieb es, bis auf die leise singende, beinah wehmütig klingende Stimme des Priesters, still.
Ein Requiem, dachte Konrad. Es klingt beinah nach einem Totengesang.
Während Konrad sich schon wieder auf die erste Längsseite des Altares begab, um den Blutfluss dort nicht versiegen zu lassen, legte der Priester seine Handflächen auf Roberts Schläfen, ohne den Gesang zu unterbrechen. Konrad sah, dass der Kopf ihres Opfers ganz ruhig zwischen den Fingern des Priesters lag, und auch Roberts Hände hingen bewegungslos in den ledernen Schlaufen, während aus den klaffenden Wunden der Fingerkuppen das Leben herausfloss.
Schreien sollst du , dachte Konrad ä r g e r l i c h . Nicht ruhig einschlummern, als würden wir dir nur ein Schlaflied singen.
Natürlich war Roberts Ende noch weit entfernt.
So schnell starb es sich nicht, das wusste Konrad aus langjähriger Erfahrung. Ein einzelner Mensch hatte Unmengen Blutes in sich.
Eine Bewegung der Luft ließ die Flammen der Fackeln erzittern. Konrad vernahm nun ein neues Geräusch, eine Art leises Rauschen, das dem Rhythmus des ruhigen Gesangs zu folgen schien. Als Konrad von neuem das Messer anlegen wollte, beobachtete er ein leichtes Zucken von Roberts Fingern. Das Rauschen verstärkte sich ein wenig, doch die Stimme des Priesters blieb weiter gesenkt, die Worte klangen in intensivster Konzentration.
Schatten huschten über den Waldboden.
Die Luft strich nun in weichen Wellen über die Lichtung, doch die Baumwipfel über ihren Köpfen bewegten sich nicht, wie bei absoluter Windstille. Auf und ab schwoll der wohlklingende Rhythmus des leisen Gesangs, im Einklang mit dem Wispern der Luft. Es würde genauso weitergehen, bis die Schalen gefüllt waren, das Blut endlich versiegte.
Wie ein ruhiges Einschlafen, dieser Gedanke ließ Konrad nicht los. Viel zu sanft für diesen Kerl!
Er griff die leblos hängende Hand ihres Opfers, drehte sie ein wenig und presste sie dann flach gegen den Stein. Seine Finger schlossen sich fester um den Messergriff. Das schmerzhafte Pochen in seinem geschwollenen Kinn drängte sich in sein Bewusstsein, während ein kühler Luftzug das Gewebe des Gewandes durchdrang und die Stimme über ihm harmonisch klingende Worte einander reihte.
Die Klinge war sehr scharf, das wusste Konrad.
Sie konnte Knochen durchtrennen.
Und wenn Robert weiterhin starrköpfig keinen einzigen Laut über seine Lippen kommen ließ, konnte sie auch mehrmals nacheinander die schmalen Fingerknochen zerschneiden, bevor der Priester auch nur irgendetwas bemerken würde. Er musste nur schnell sein, direkt an den Gelenken ansetzen und rasch einen nach dem anderen abtrennen.
Er schlug mit der Klinge mehr zu, als dass er schnitt. Das scharfe Metall durchtrennte den kleinen Finger am unteren Gelenk, als würde es durch weiches Brot gleiten, und traf dann mit einem metallischen Klang auf den Stein. Beinah zeitgleich mit Roberts unerwartet lautem, kurzen Aufschrei traf etwas Hartes gegen Konrads Kopf, das Messer glitt aus seiner Hand und er fiel zur Seite. Die mächtige Gestalt des Priesters stand über ihm, als Konrad voll Überraschung hochblickte. Doch der Priester kümmerte sich nicht weiter um Konrad. Er wandte sich ab und hockte sich neben den Altar auf die Erde, um mit
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