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Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)

Titel: Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yvonne Gees
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Robert gab es auf, sich gegen den Griff des Priesters zu wehren. Er ließ die Arme sinken und richtete den Oberkörper auf. Nichtsdestotrotz verlangte er, mit zwangsweise beherrschter Stimme, abermals, Konrad solle sich von ihm fernhalten.
    „Konrad“, sagte der Priester, an seinen Schüler gewandt, „ich muss dich um zwei Schritte Abstand bitten.“
    Konrad war es unverständlich, warum dieser Irre trotz allem noch immer seinen Willen bekam. Widerwillig machte er zwei Schritte rückwärts, sich noch immer das arg lädierte Kinn haltend. Er verspürte den starken Drang, sich zu übergeben und versuchte, durch ein vorsichtiges Bewegen des Kopfes das Schwindelgefühl zu vertreiben.
    „Ich werde dir jetzt alleine helfen“, erklärte der Priester ruhig und ließ Robert aus seiner Umklammerung frei. Der Angesprochene blieb einfach stehen, bewegte sich nicht und gab auch keine Antwort. Das Gewand war vorne durch zwei Fibeln verschlossen, die der Priester öffnete. Dann konnte man es wie einen Mantel abstreifen. Als Roberts Hände durch die Ärmel glitten, gab er einen leisen Laut von sich, der nur die unterdrückte Andeutung eines Stöhnens war.
    Den schweren, schwarzen Stoff ließ der Priester achtlos auf die Erde fallen.
    Unter dem Gewand trug Robert eine dunkle Hose. Seine Füße und sein Oberkörper waren nackt, bis auf sorgsam gewickelte weiße Verbände an seinen beiden Oberarmen und die Lederschlaufen um seine Handgelenke. Der eng anliegende Strick um seinen Hals war nun sichtbar, fixierte die Kapuze um seinen Kopf. Der Priester begann, die Verbände zu lösen und abzuwickeln. Robert stand regungslos da und ließ die Prozedur über sich ergehen.
    Konrad merkte, wie ihm die brennende Magenflüssigkeit hochstieg. Er machte auf dem Absatz kehrt, riss sich die Kapuze vom Kopf und übergab sich in ein Gebüsch.
    „Ich wusste gar nicht“, bemerkte der Priester trocken, an Robert gewandt, „dass du ein solcher Schlägertyp bist. Ich dachte immer, Prügeln liegt dir nicht.“
    „In diesem Fall“, sagte Robert, „hat es sich jemand redlich verdient.“
     
    Der Priester lachte leise, sichtlich amüsiert.
    Konrad versetzte dieses Lachen einen Stich: Selbst in dieser Situation führen die beiden sich noch auf, wie die besten Freunde, dachte er verbittert.
    Als er wieder an seinem Platz zurückkehrte, fühlte er sich körperlich erheblich besser, wenn auch die Welt vor seinen Augen noch ein wenig schwankte. Unter den Verbänden kamen zierliche, nicht tief in die Haut geritzte Schriftzeichen zum Vorschein, die Konrad nie zuvor gesehen hatte. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was sie bedeuteten. Sie waren nicht einmal aus dem Symbolschatz der alten Sprache entnommen, die Konrad ohnehin nur zum Teil beherrschte. Diese Zeichen hatten überhaupt keine Ähnlichkeit mit der alten Sprache, sie waren ihm völlig fremd. Die schmalen Wunden waren in einem fortgeschrittenen Zustand der Heilung, sicher mehr als eine Woche alt.
    Konrad vermutete, dass der Priester mehr als nur ein vorbereitendes Ritual durchgeführt hatte, bevor es zu dem Finale in der heutigen Nacht kommen sollte.
    Sein Unterkiefer verwandelte sich langsam in einen schmerzenden Ballon. Es beschlichen ihn Zweifel, dass er überhaupt noch normal sprechen konnte. Auch, wenn die Zeit langsam knapp wurde, so versprach er sich selbst, wollte er es Robert noch persönlich heimzahlen. Spätestens zu dem Zeitpunkt, wenn der verdammte Kerl sich nicht mehr rühren konnte. Ganz egal, ob es dem Priester recht war, oder nicht.
    „Man sagt“, meinte der Priester zu Robert, als auch die Verbände auf der Erde lagen, „der endgültige Abschied von dem besten Freund u n d dem ärgsten Feind fiele am schwersten. Du warst beides für mich, mein Guter. Deshalb habe ich so lange gezögert, dir das Leben zu nehmen. Du warst ein gut gelungener Versuch, aber eben nicht perfekt. Beim nächsten Mal werde ich die alten Fehler zu vermeiden wissen. Ich habe nur noch dieses eine Mal. Mein Leben währt schließlich auch nicht ewig.“
    „Sei nicht traurig“, bemerkte Robert daraufhin. „Ich bin es schließlich auch nicht.“
    „Du bist ein Zyniker“, erwiderte der Priester. „Und völlig unverbesserlich.“
    „Darum bin ich heute hier“, war die Antwort.
    „Wenn du willst“, bot ihm der Priester an, ohne auf die letzten Worte einzugehen, „kannst du auch den letzten Weg ohne Zwang gehen. Eine weitere Entkleidung ist nicht nötig. Ich lasse dir deinen Stolz in jeder

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