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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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den Balkon. »Hallo, Duncan. Louise hat gesagt, dass du kommst.« Michael war Landschaftsarchitekt und trug sein angegrautes Haar zum Pferdeschwanz gebunden, und er schien sich bei jedem Wetter in Hawaiihemd und Shorts am wohlsten zu fühlen. »Hallo, kleines Fräulein«, begrüßte er Charlotte. »Da freut sich aber jemand, dich zu sehen.« Er ging zum Treppenabsatz und kommandierte mit strenger Stimme: »Sitz! Alle beide!«
    Die Hunde folgten und winselten ungeduldig, während er das Tor öffnete. »Sitz«, wiederholte er, als Charlotte auf sie zurannte, und fügte dann hinzu: »Küsschen.«
    Die Hunde blieben brav sitzen, leckten aber Charlotte begeistert das Gesicht ab, während sie sie umarmte.
    »Freut mich, dich zu sehen.« Kincaid gab Michael die Hand. »Ist Tam nicht zu Hause?«, fragte er.
    »Nein, er hat Aufnahmesession. Ich wollte gerade eine Runde mit den Hunden gehen. Sollen wir Charlotte vielleicht mitnehmen?«
    »Das wäre ganz fantastisch.« Kincaid hatte gehofft, dass die Hunde Charlotte beschäftigen würden, während er mit Louise sprach, aber Michaels Angebot war sogar noch besser.
    »Ich hole nur schnell ihre Leinen«, sagte Michael, und dann schien er zu zögern. »Wir sind bald zurück. Louise ist – sie wird schnell müde.«
    Kincaid vermutete, dass er noch mehr gesagt hätte, wenn nicht in diesem Moment die Tür rechts vom Balkon aufgegangen und Louise erschienen wäre. »Hallo, Duncan. Hallo, Charlotte.« Sie lächelte sie an, doch Duncan war erschrocken, wie dünn und ausgezehrt sie aussah. Dabei war sie noch nie sonderlich kräftig gewesen. »Ich habe Kaffee gekocht, Duncan. Komm doch rein.«
    Jetzt wurde ihm klar, dass sie und Michael die Einladung an Charlotte, mit den Hunden zu gehen, vorher abgesprochen hatten. »Danke, Louise. Klingt wunderbar.« Michael und sein Lebensgefährte Tam waren mehr als Nachbarn für Louise. Sie waren, wie Kincaid in den vergangenen Monaten mitbekommen hatte, im Grunde so etwas wie ihre Familie, und Louises bisweilen etwas kratzbürstige Art schien sie in ihrem Beschützerinstinkt nur noch zu bestärken.
    Kincaid kniete sich hin, um Charlottes Jäckchen zuzuknöpfen, und tippte ihr dann mit dem Finger auf die Nasenspitze. »So, jetzt sei schön brav und hör auf Michael, ja?«
    Charlotte nickte, vor Aufregung hatte es ihr schier die Sprache verschlagen. Kincaid wartete, bis Michael die Hunde an die Leine genommen hatte und die ganze Schar die Treppe hin-
untergegangen war, ehe er Louise in die Wohnung folgte. Er sah sich kurz in ihrem Wohnzimmer um, während sie durchgingen – es war wie immer vollgestopft mit Büchern und übersät mit Bergen von Papieren. Ihre Küche war dagegen stets sauber und aufgeräumt. Michael und Tam zogen sie deswegen auf und behaupteten, das läge nur daran, dass sie nie kochte. Kincaid hatte den Verdacht, dass sie damit den Nagel auf den Kopf getroffen hatten.
    Sie machte Kaffee in einer Cafetière und deckte den kleinen Tisch mit zwei Tassen und dazu passender Zuckerdose und Milchkännchen. Das Service war aus feinem Knochenporzellan mit einem Vogel- und Blumendekor. Das überraschte ihn – Louise war sonst so gar nicht der Typ für Schnörkel und Accessoires.
    »Charlotte sieht gut aus«, sagte sie, während sie ihn mit einer Geste aufforderte, sich zu setzen. Sie drückte den Stempel der Cafetière herunter und schenkte den Kaffee ein. »Wie geht es ihr?«
    »Gut, solange sie zu Hause ist oder mit Leuten zusammen, die sie gut kennt. Aber unser Versuch, sie in die Schule zu schicken, endete schon nach einer Woche in einem Desaster.« Er seufzte und gab ein wenig Sahne in seinen Kaffee, der köstlich schmeckte, aber so stark war, dass der Löffel in der Tasse stehen blieb. »Das ist eine Sache, über die ich mit dir reden wollte. Ich kann meine Elternzeit nicht endlos verlängern, und Gemma kann nicht noch mehr Urlaub nehmen, zumal jetzt mit ihrem neuen Job. Das ist gerade eine kritische Zeit für sie.«
    Louise runzelte die Stirn, und Kincaid fiel auf, dass auf ihrer dunklen Haut raue, trockene Stellen zu sehen waren. »Weißt du«, sagte sie gedehnt, »es ist gut möglich, dass Charlotte auch unter anderen Umständen Probleme hätte, sich in der Schule zurechtzufinden. Sie war immer bei Sandra oder Naz oder dem Kindermädchen, und sie hatte sehr wenig Kontakt mit anderen Kindern. Eine sehr behütete Umgebung.«
    Hörte er da einen tadelnden Unterton aus Louises Stimme heraus? Sie fuhr jedoch gleich fort: »Aber wie dem

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