Wer Blut vergießt
Knöchel.
»Jetzt nicht mehr so, aber am Anfang hatte ich höllische Schmerzen. Angeblich ist es ein glatter Bruch, aber sie wollen mich über Nacht hierbehalten. Die Schwellung muss erst zurückgehen, ehe sie dieses … Gipsdings draufmachen können.« Die Augen fielen ihm zu, und er blinzelte sie eulenhaft an. »Fußball soll ich jedenfalls nicht spielen.«
»Zutrauen würde ich es dir ja – was du so alles anstellst, um ein bisschen Aufmerksamkeit zu kriegen.«
»Um mich vor der Arbeit zu drücken, meinst du wohl.«
»Oder vor dem Renovieren.«
»Stimmt, das auch. Tut mir leid, dass ich dir den Samstagabend verdorben habe«, fügte er hinzu.
»Ich hatte ein heißes Date mit dem Fernseher«, erwiderte sie beiläufig. »Dafür habe ich was bei dir gut. Also, wie war das jetzt mit morgen früh?«
»Ich könnte mit dem Taxi nach Hause fahren, aber sie sagen, ich brauche Hilfe in der ersten Zeit. Darf den Fuß in den ersten paar Tagen nicht belasten.« Er leckte sich die Lippen und nahm einen Schluck Wasser, ehe er fortfuhr. »Ich würde dich ja nicht fragen, aber ich müsste sonst meine Mutter in St. Albans anrufen.« Er verdrehte die Augen und fügte hinzu: »Wovor der Himmel mich bewahren möge.«
Melody lachte. »Ich weiß, was du meinst. Keine Sorge, sag mir einfach nur, um wie viel Uhr ich dich abholen soll«, beruhigte sie ihn, während sie zugleich krampfhaft überlegte, wie sie den Einsatz als Dougs Krankenpflegerin mit den Anforderungen einer Mordermittlung unter einen Hut bringen sollte.
8
Der Glaspalast lockte jedes Jahr zwei Millionen Besucher an. Hier fanden Ausstellungen, Festivals und Musikveranstaltungen statt, und im Ersten Weltkrieg diente er über hunderttausend Soldaten als Übungsgelände.
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Am nächsten Morgen war Gemma auf halbem Weg nach Brixton, als ihr Handy klingelte. Ein Taxi hupte direkt neben ihr, als sie den Anruf annahm, und dann sagte eine vertraute Stimme an ihrem Ohr: »Ich hoffe doch sehr, dass Sie die Freisprechanlage benutzen. Beim Autofahren telefonieren – ts, ts.«
»Rashid, hi.« Sie setzte rasch ihr Headset auf. »Ich bin gerade über die Battersea Bridge gefahren, einen Moment noch.« Sie ordnete sich in den Verkehr ein, der am Battersea Park vorbeiströmte, und sagte: »So, jetzt ist es besser. Was gibt’s? Haben Sie etwas für mich?«
»Ich bin auf dem Weg zu einem Leichenfundort in Tooting Bec, aber die Leiche kann auch noch eine halbe Stunde warten. Ich dachte mir, wir könnten uns auf einen kleinen Plausch in Brixton treffen. Das liegt genau auf meinem Weg.«
Ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett sagte Gemma, dass sie für die Einsatzbesprechung um neun eine gute halbe Stunde zu früh sein würde, und aus Melodys zweitem Anruf am gestrigen Abend, in dem sie detailliert geschildert hatte, was sie alles für Doug erledigen musste, schloss sie, dass auch ihre Mitarbeiterin sich ein wenig verspäten würde. »In Ordnung, das kann ich einschieben.«
»Bei Ihnen auf dem Revier?«
Sie dachte einen Moment nach. »Kennen Sie das Caffè Nero gegenüber dem U-Bahn-Eingang? Treffen wir uns doch dort. Ich lade Sie auf einen Kaffee ein.«
»Abgemacht«, sagte Rashid und legte auf.
Es hatte seine Nachteile, Rashid in die Dienststelle kommen zu lassen, wie Gemma inzwischen wusste – hauptsächlich den, dass sämtliche weiblichen Mitarbeiter im Gebäude unter irgendeinem Vorwand vorbeischauen und Hallo sagen mussten. Als sie zur Kriminalpolizei gegangen war, hatte niemand sie davor gewarnt, dass ein Rechtsmediziner mit dem Aussehen eines Rockstars ein Problem darstellen könnte.
Und sie musste zugeben, dass ihr so eine kleine Fallbesprechung unter vier Augen mit Rashid durchaus gelegen kam. Am Abend zuvor hatte sie mit Duncan nur ein paar Worte darüber wechseln können. Nach den Telefonaten mit Melody und der üblichen Abendessen-und-Schlafenszeit-Routine mit den Kindern war sie so todmüde ins Bett gefallen, dass sie kaum noch »Gute Nacht« murmeln konnte.
In Brixton angekommen stellte sie den Escort auf ihrem reservierten Parkplatz vor der Dienststelle ab und lief über die Brixton Road zu dem Café im Obergeschoss des Traditionskaufhauses Morley’s. Erst als sie das Gebäude schon sehen konnte, fiel ihr ein, dass heute Sonntag war und das Kaufhaus erst um elf öffnen würde.
Doch Rashid stand schon grinsend vor dem Starbucks auf der Straßenseite mit dem U-Bahn-Eingang. Er trug seine gewohnte Kluft aus Jeans und schwarzer Lederjacke. Eine
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