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Wer Blut vergießt

Wer Blut vergießt

Titel: Wer Blut vergießt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
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Wagen zu holen. Er ist nicht gefahren, weil er getrunken hatte …«
    »Und wahrscheinlich auch, weil er verhindern wollte, dass man eine Verbindung zwischen seinem Wagen und dem Hotel herstellte«, warf Melody ein.
    »Richtig. Und es wäre vielleicht ein bisschen peinlich gewesen, wenn er seiner neuen Damenbekanntschaft vorgeschlagen hätte, noch rasch bei ihm zu Hause vorbeizugehen, damit er seine Bondage-Ausrüstung holen konnte, bevor sie ins Hotel gingen.«
    »Ja, schon ein bisschen«, pflichtete Melody ihr bei. Den Rest der Fahrt verbrachten sie in nachdenklichem Schweigen.
    In Brixton angekommen lieferten sie die DVD s auf dem Revier ab, versehen mit einer Anweisung an Shara, sie am nächsten Morgen zu sichten. Dann fuhren sie weiter nach Notting Hill. Als sie Gemmas Haus erreichten, vereinbarten sie, sich um neun Uhr am nächsten Morgen auf dem Revier zu treffen und mit getrennten Autos zu fahren, da die anstehenden Zeugenbefragungen sie in verschiedene Richtungen führen könnten. Gemma bat Melody noch herein, doch es war wohl nur eine Geste. Sie hatten einen langen Tag hinter sich, und Melody war sich sicher, dass Gemma noch ein bisschen Zeit mit Duncan und den Kindern verbringen wollte. So sagte sie gute Nacht und fuhr die letzte Meile bis zu ihrer Wohnung.
    Melody liebte die zum Mehrfamilienhaus umgebaute Villa am oberen Ende der Kensington Park Road, doch in letzter Zeit empfand sie die Wohnung selbst mehr und mehr als beengend. Von ihren Wohnzimmerfenstern aus konnte sie das obere Ende der Portobello Road sehen, doch mehr bekam sie von der Außenwelt nicht mit. An einem kalten Januarabend war das kein großer Verlust, aber im vergangenen Herbst hatte sie sich erstmals so richtig nach ein wenig Grün gesehnt.
    Sie warf Jacke und Handtasche auf den Wohnzimmersessel, dann stand sie eine Weile da und blickte hinaus in den verschwommenen Lichtschein, der von der Portobello Road kam. Selbst bei geschlossenen Fenstern konnte sie hören, wie in den Straßen das Leben tobte. Es war ein anstrengender Tag gewesen, und sie war müde, aber dennoch irgendwie aufgedreht und rastlos. Sie fragte sich, wie viel von ihrer inneren Unruhe mit dem Fall zu tun hatte und wie viel mit dem eigenartigen Kribbeln, das sie bei der Begegnung mit dem Gitarristen an diesem Nachmittag empfunden hatte.
    »Andy«, sagte sie laut. »Nicht einfach ›der Gitarrist‹. Andy Monahan.« Einen Moment lang stellte sie sich vor, wie es wäre, an einem Samstagabend wie diesem mit ihm Arm in Arm über die Portobello Road zu schlendern, dicht aneinandergeschmiegt in der Kälte.
    Dann schüttelte sie sich, murmelte »Blöde Kuh« und wandte sich vom Fenster ab.
    Sie musste Entscheidungen treffen. Wichtige Entscheidungen. Sollte sie ihre Eltern jetzt anrufen und ihnen sagen, dass sie nicht zum traditionellen Sonntagsbrunch der Familie in ihrem Stadthaus in Kensington kommen konnte, oder sollte sie bis zum Morgen warten?
    Bis zum Morgen warten, beschloss sie. Dann könnte sie das Gespräch kurz halten und müsste sich keine Gardinenpredigt über ihr zu hohes Arbeitspensum anhören. Gut, eine Sache erledigt.
    Jetzt ein Glas Wein, Pyjama, Fertigmahlzeit, und dann Doug anrufen, in dieser Reihenfolge. Alles ganz easy. Das aufregende Leben einer Twentysomething-Singlefrau in London. Das würde Doug zum Lachen bringen, dachte sie grinsend, und dann könnten sie noch ein bisschen über das grauenhafte Fernsehprogramm am Samstagabend lästern.
    Sie legte ihren Blazer zu dem Stapel auf dem Sessel, schaltete den Fernseher ohne Ton ein und war gerade auf dem Weg zum Kühlschrank, als ihr Handy klingelte.
    Sie fischte es aus ihrer Handtasche, warf einen Blick auf die Nummer und meldete sich munter: »Ich wollte dich gerade anrufen. Du kannst wohl hellsehen.«
    »Wenigstens darin bin ich gut«, sagte Doug. Seine Stimme klang seltsam. Er lallte ein wenig – ob er getrunken hatte? Sie hatte Doug noch nie mehr als ein, zwei Bier trinken sehen, außer dem einen Mal, als sie zu zweit eine Flasche Champagner geleert hatten, und selbst da war er nur ganz leicht beschwipst gewesen.
    »Tut mir leid, dass es heute nicht geklappt hat«, sagte sie immer noch ein wenig abwesend, während sie die Tür des Gefrierschranks öffnete und den Inhalt inspizierte. »Wovon redest du eigentlich?«
    »Vom Streichen. Ist wohl nicht so mein … Fall.« Das letzte Wort war kaum zu verstehen, als ob er vergessen hätte, dass er telefonierte.
    Da stimmte etwas nicht, das war ihr jetzt klar.

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