Wer Blut vergießt
aber nicht eingerissen, und weder an den Lippen noch an der Zunge waren Blutergüsse zu erkennen.«
»Hätte der Knebel ihn am Schreien gehindert?«
»Er hätte sicher irgendwelche Laute von sich geben können, aber nichts Verständliches.«
»Es war sonst niemand in den Souterrainzimmern. Und hinter der Empfangstheke steht ein Fernseher«, meinte Gemma nachdenklich. »Ich wette, die Nachtmanagerin lässt ihn immer laufen, um ein bisschen Gesellschaft zu haben.«
»Was alle eventuellen Geräusche aus dem Untergeschoss gedämpft hätte, zumal, wenn die inneren Brandschutztüren geschlossen waren.« Rashid schob seinen Kaffee zur Seite, um in dem Bericht blättern zu können, aber Gemma war sich sicher, dass es nur eine gewohnheitsmäßige Geste war. Sie hatte noch nie erlebt, dass er irgendwelche Fakten nachschlagen musste. »Ich habe ein paar ganz interessante Fasern gefunden«, fuhr er fort. »Sie klebten in den Mundwinkeln – eine sehr feine Seidenmischung. Hellgrau. Und in den Strangmarken am Hals einige Partikel einer fusseligen Wolle-Acryl-Mischung – dunkelblaue und bordeauxrote Fasern.«
Gemma runzelte die Stirn. »Ich werde mich nachher auf dem Revier erkundigen, was die Kollegen von der Spurensicherung gefunden haben. Das fusselige Zeug könnte ja von etwas stammen, das auch im Zimmer Spuren hinterlassen hat.« Sie nippte an ihrem inzwischen abgekühlten Latte, der jetzt nach verbrannter Milch schmeckte. »Hat das Drogenscreening etwas Interessantes ergeben?«
»Der Blutalkoholgehalt war relativ hoch. Er hätte definitiv nicht mehr fahren sollen. Und obwohl sein Urteilsvermögen mit Sicherheit beeinträchtigt war, nehme ich an, dass er es wohl immer noch ziemlich gut kaschieren konnte.« Rashid sah auf seine Uhr und kippte dann den Rest seines Kaffees in einem langen Zug hinunter. »Ich werde Ihnen in ein paar Tagen mehr von der Toxikologie sagen können, aber jetzt sollte ich mich auf den Weg nach Tooting Bec machen. Ein älterer Mann, der tot in seiner Wohnung lag – aber die Sanitäter haben ein leeres Röhrchen Schlaftabletten gefunden, also wird der Coroner eine Obduktion anordnen.
Ach ja, und noch etwas«, fügte Rashid im Aufstehen hinzu. »Die Spurensicherung hat sich mit mir wegen der Blutgruppe des Opfers kurzgeschlossen. Es ging um diesen frischen Blutstropfen auf dem Bettlaken. Er stammte nicht von Arnott.«
Melody hatte nicht gedacht, dass es so schwierig sein würde, Doug in ihren kleinen Renault Clio hinein- und wieder herauszubugsieren. Selbst nachdem sie den Beifahrersitz ganz nach hinten geschoben hatte, musste er sich noch am Autodach festhalten, um sich durch die Tür zu manövrieren, und er verzog vor Schmerz das Gesicht, als er den klobigen Gipsfuß im Fußraum zu verstauen versuchte.
»Tut mir echt leid«, murmelte sie, als sie sich in den Verkehr einordnete. Sie mochte ihn gar nicht ansehen, mit seinem kreidebleichen Gesicht und den zusammengebissenen Zähnen.
Zum Glück waren die Straßen an diesem Sonntagmorgen so frei, wie sie es sonst kaum einmal waren, und vom Krankenhaus nach Putney war es nicht sehr weit. Er würde ihren Arm zum Aussteigen brauchen, wenn sie an seinem Haus ankamen, und schon jetzt grummelte er deswegen halblaut vor sich hin.
»Du wirst es schon noch lernen«, sagte sie, während er an ihrer Seite zur Haustür humpelte. »Bist du sicher, dass du keine Krücke brauchst?«
»Nein, sie haben nur gemeint, ich sollte den Fuß an den ersten ein, zwei Tagen so wenig wie möglich belasten. Ich brauche keine verdammte Krücke und auch keine Gehhilfe, vielen Dank.« Er stocherte mit dem Schlüssel herum, bis er das Schloss gefunden hatte, und seufzte hörbar erleichtert auf, als er ins Haus trat.
Melody musste sich auf die Lippe beißen, als sie ihm ins Wohnzimmer folgte und die umgekippte Leiter sah, die verschüttete Farbe, die nicht nur das Abdecktuch, sondern auch den Teppichboden ringsum getränkt hatte. Es sah aus wie ein monochromes Jackson-Pollock-Gemälde. »Nur gut, dass du sowieso beschlossen hattest, den Teppichboden rauszureißen«, sagte sie nur halb im Scherz. Sie hatten entdeckt, dass unter der abgetretenen braunen Auslegware die ursprünglichen viktorianischen Bodendielen in fast perfektem Zustand waren. »Keine Sorge, ich helf dir später, die Schweinerei zu beseitigen.«
Sie befreite den Sessel von der Folie, mit der Doug ihn abgedeckt hatte, und rückte einen Polsterschemel heran. Beide Möbelstücke hatten sie in dem Auktionshaus in
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