Wer Blut vergießt
beiden ein, und als sie die zentrale Fläche des Marktes überquerten, konnte er Tam schon an einem der Tische vor dem Restaurant sitzen sehen. Da der Markt überdacht und zumindest teilweise ummauert war, konnten die Restaurants mithilfe von ein paar Heizpilzen ansatzweise so etwas wie eine Straßencafé-Atmosphäre schaffen.
»Ist das hier okay?«, fragte Tam und stand auf. Er begrüßte zuerst Kincaid und dann Doug mit kräftigem Handschlag, dann nahm er Charlottes Hand, um zum Schluss auch noch feierlich den Plüschfuß von Bob dem Elefanten zu schütteln.
Er hatte bereits einen Kindersitz für Charlotte bringen lassen, und während er sie hineinhob, sagte er: »Ich glaube, wir haben hier eine kleine Überraschung für dich, Mädel.«
An Charlottes Platz lagen sorgsam ausgebreitet ein Beschäftigungsbuch, Buntstifte und ein Löwen-Aufkleber. »Schau mal, da in dem Buch ist eine Stelle, wo du den Burschen hier einkleben kannst.« Tam zeigte ihr, wo der Löwe hingehörte. »Und wenn du das nächste Mal hier bist, bekommst du ein anderes Tier für deine Sammlung.«
»Da ist auch ein Platz für einen Elefanten«, sagte Charlotte fasziniert. Sie sah Kincaid an. »Können wir bald wieder herkommen, Papa? Vielleicht krieg ich dann den Elefanten.«
»Ich denke, das lässt sich machen.« Kincaid musterte Tam neugierig. »Womit haben wir denn diese Großzügigkeit verdient, Tam?«
»Nun ja, ich muss zugeben, dass es nicht allein euch zu Ehren ist.« Tam rückte seine verblichene Schottenmütze zurecht. »Aber ich fand, dass es einen Anlass zum Feiern gibt, und mit wem könnte ich besser feiern als mit Freunden wie euch? Aber lasst uns doch bestellen – ich habe einen Bärenhunger.«
Die Spezialität des Restaurants waren traditionelle englische Gerichte. Nachdem Kincaid Charlotte erklärt hatte, dass ein rarebit nichts mit Kaninchen zu tun hatte, sondern nur Brot mit einer Käsesauce war, bestellte er für sie das Welsh Rarebit mit pochiertem Ei und für sich selbst den geräucherten Schellfisch. Tam und Doug gönnten sich das Tagesgericht, einen Schweine-
braten.
Nachdem sie bestellt hatten, sah Kincaid seinen Freund durchdringend an. »Also, was hat es denn nun mit dieser Feier auf sich, Tam?« Hoffnung keimte in ihm auf. »Geht es um Louise? Gute Neuigkeiten wegen ihrer Diagnose?«
Tam machte ein langes Gesicht. »Nein, da ist alles beim Alten, fürchte ich. Michael kocht jeden Abend für sie. Wir versuchen, das Kind irgendwie zu schaukeln.«
»Was ist es dann? Hast du im Lotto gewonnen?«
Tam grinste breit, obwohl sein Gebiss ein Zeugnis schottischer Zahntechnikerkunst war, dessen Anblick man der Mitwelt vielleicht lieber ersparte. »Das kommt der Sache schon näher, für die Verhältnisse in meiner Branche jedenfalls. Vielleicht so nahe, wie ich jemals dran sein werde, und ich habe im Lauf der Jahre schon so manchen Musiker kommen und gehen sehen. Aber diesmal, Duncan, könnte es sein, dass ich wirklich auf eine Goldmine gestoßen bin.«
»Jemand Neues?«
»Nein, es ist mein Schützling – Andy. Ich habe ihn mit einer jungen Sängerin zusammengebracht, und ihr Manager hat die beiden gefilmt – hauptsächlich im Proberaum, und gestern noch ein bisschen im Studio. Er hat das Ganze ein wenig geschnitten und es dann auf YouTube gestellt, nur um zu sehen, wie die Reaktionen sind.« Tam schüttelte den Kopf. »Ich hätte es nie geglaubt. Das Ding verbreitet sich wie ein verdammter Virus. Innerhalb eines Tages. Wir müssen jetzt ganz schnell die Verträge unter Dach und Fach bringen, damit wir den Song als Download anbieten können. Es ist – So etwas habe ich mein Lebtag noch nicht erlebt.« Einen Moment lang schien es, als ob Tam den Tränen nahe wäre. »Ich hab’s Michael noch gar nicht erzählt. Weil ich nichts beschreien will. Deswegen wollte ich auch nicht, dass ihr zu uns in die Wohnung kommt.«
Kincaid erkannte, dass sein scheinbar so simples Vorhaben mit einem Mal sehr viel komplizierter geworden war, ganz zu schweigen davon, dass Dougs Miene sich schlagartig verfinstert hatte, als Tam den Gitarristen erwähnte.
Er wagte den Sprung ins kalte Wasser. »Tam, ich habe dich nicht wegen Louise angerufen. Ich wollte vielmehr mit dir über Andy Monahan sprechen.«
Tam starrte ihn an. »Du hast das Video schon gesehen?«
»Nein. Es geht um den Mann, der in Crystal Palace ermordet wurde. Der, mit dem Andy am Freitagabend im Pub diesen Streit hatte.«
Jetzt war es Tam, der Kincaid anstarrte. »Es gab
Weitere Kostenlose Bücher