Wer Blut vergießt
gar keinen Streit. Dieser blöde Typ ist in der Pause plötzlich aufgekreuzt und hat Andy angebrüllt.«
»Hast du das selbst gesehen?«
»Nein.« Tam klang nicht mehr so sicher. »Ich bin erst hinterher dazugekommen. Ich hatte Caleb – also Caleb Hart, den Manager der jungen Sängerin – zu seinem Wagen begleitet. Er war schon nach dem ersten Set ganz hin und weg von Andy, und das, obwohl die beiden anderen sich wie die letzten Idioten angestellt haben.«
»Die anderen Bandmitglieder, meinst du?«
»Oh, die Jungs sind schon in Ordnung, aber sie spielen nicht in derselben Liga, und das wissen sie auch. Und sie waren ziemlich genervt, weil der Auftritt eindeutig nur dazu dienen sollte, Andy groß herauszustellen. Hör mal, Duncan, was soll das hier eigentlich? Wir haben doch schon mit dieser jungen Kollegin von dir gesprochen, die am Samstag ins Studio kam – bisschen spröde, das Mädel, aber der Junge schien ganz angetan von ihr. Und außerdem dachte ich, du hättest Erziehungsurlaub genommen, um dich um die Kleine hier kümmern zu können?« Er sah zu Charlotte hinüber, die immer noch in ihr Beschäftigungsbuch vertieft war.
»Tam, es ist Gemmas Fall. Ich habe ihr gesagt, dass ich mit dir reden würde.«
»Und dieses ›spröde Mädel‹ ist Detective Sergeant Melody Talbot«, warf Doug ein, der offenbar Melodys Ehre verletzt sah. Kincaid war versucht, ihm unter dem Tisch einen Tritt zu versetzen.
»Aber das verstehe ich nicht.« Tams euphorische Stimmung war schlagartig verflogen. »Was wollt ihr eigentlich von Andy?«
Sie verstummten alle, als der Kellner ihr Essen brachte. Kincaid half Charlotte, ihr Welsh Rarebit zu schneiden, aber alle anderen rührten ihre dampfenden Teller nicht an. »Die Sache ist die«, erklärte Kincaid, »Andy Monahan ist die letzte Person, von der wir wissen, dass sie mit dem Opfer – Vincent Arnott – Kontakt hatte, bevor dieser tot aufgefunden wurde. Bist du sicher, dass er den Mann nicht gekannt hat?«
»Wie sollte er? Ich habe die Band doch nur deswegen in dem Pub auftreten lassen, weil Caleb Hart mich darum gebeten hatte.«
»Was ist mit Caleb Hart? Könnte er Arnott gekannt haben?«
Tam runzelte die Stirn. »Nun ja, gesagt hat er es nicht. Aber es ist wohl möglich.«
»Du sagtest, Hart habe das Pub nach dem ersten Set verlassen. Weißt du, wohin er gegangen ist?«
»Er sagte, er hätte ein Meeting. Aber Duncan, du kannst doch nicht glauben, dass Caleb Hart etwas mit dieser Geschichte zu tun hat.« Tam klang entsetzt.
»Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass Andy das zweite Set mit der Band gespielt hat und dass du ihn danach vor dem Pub mit dem Auto abgeholt hast. Du hast Melody – Sergeant Talbot – gesagt, du hättest ihn nach Hause gefahren. Ich weiß, wo Andy wohnt, und ich halte es für äußerst unwahrscheinlich, dass er es rechtzeitig von der Oxford Street zum Belvedere Hotel in Crystal Palace hätte schaffen können, um Vincent Arnott zu ermorden. Aber alle anderen kommen als Täter infrage.«
Tam ließ sein Besteck mit lautem Scheppern auf den Teller fallen. »Was ist das hier, verdammt – Big Brother? Und woher weißt du, wo Andy wohnt?« Seine laute Stimme schreckte Charlotte auf, die ängstlich zu Kincaid aufschaute.
»Ist Tam böse auf dich, Papa?«, fragte sie. »Ich mag es nicht, wenn Leute böse sind.«
»Nein, Schätzchen.« Kincaid sah Tam kopfschüttelnd an und half dann Charlotte, noch ein paar Stücke von ihrem Käsetoast abzuschneiden. »Möchte Bob vielleicht auch ein bisschen Welsh Rarebit?« Er tat so, als ob er dem Plüschelefanten einen Bissen in den Mund schöbe, und Charlotte kicherte.
»Vor dem Pub war eine Überwachungskamera«, erklärte Kincaid Tam mit gedämpfter Stimme. Er griff nach seinem eigenen Besteck und begann seinen Schellfisch zu essen. Es ärgerte ihn, dass er derart die Kontrolle über das Gespräch verloren hatte. Er musste sich daran erinnern, dass er als Freund hier war und nicht als Polizist. »Und die Frage, woher ich weiß, wo Andy wohnt – das ist eine ganz andere Geschichte, die nichts mit alldem zu tun hat«, fuhr er fort. »Ich kannte Andy schon, bevor wir uns zum ersten Mal begegnet sind.«
»Das hat er nie erwähnt.«
»Dazu hatte er auch keinen Anlass. Er war Zeuge in einem Fall. Er hat nichts verbrochen, und auch jetzt will ich euch beiden nur helfen, wenn ich kann.«
»Es tut mir leid, Duncan«, sagte Tam in ruhigerem Ton. »Ich wollte nicht so ausrasten. Aber du musst verstehen, wie
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