Wer Böses Tut
hier.«
»Und was hat Selina über Greville gesagt?«, fragte sie spitz.
Minderedes wischte sich mit einer Papierserviette eine Milchspur von den Lippen, faltete sie ordentlich zusammen und legte sie neben den Teller. »Sie ist erst seit ein paar Monaten dort, aber sie sagte, er und Rachel Tenison waren dicke Freunde.«
»Wir müssen mit demjenigen sprechen, der vorher dort gearbeitet hat.«
»Alles unter Kontrolle«, sagte er und klopfte sich lächelnd auf die Brusttasche. »Ich habe den Namen der Frau und die Telefonnummer der Agentur. Laut Selina läuft die Galerie richtig gut. Ich werde natürlich mit dem Buchhalter und dem Steuerberater und der Bank sprechen, aber es klingt alles sehr zufriedenstellend. Nicht der geringste Hauch von Anrüchigkeit.«
»Was ist mit Rachel Tenisons Privatleben?«
»Laut Selina hatte sie kaum eins, und wenn da privat etwas lief, hat sie es nicht im Büro ausposaunt oder ihren Kalender damit vollgekritzelt. Ihr Leben war die Arbeit, du kennst die Sorte.«
»Was war am Donnerstag?«
Nachdem er eine Ecke der zweiten Zimtschnecke abgebissen hatte, holte Minderedes ein zusammengefaltetes Päckchen lose Blätter aus der Tasche und blätterte sie durch, bis er den richtigen Zettel gefunden hatte. »Donnerstag, da ist er ja. War anscheinend nicht viel los. Sie haben die Ware für Maastricht zusammengestellt.«
»Maastricht?«
»Da scheint eine große Messe in Holland zu sein. Egal, der Spediteur brachte am Nachmittag ein paar Leinwände, die beim Rahmen waren, und Rachel Tenison ging gegen sechs, nachdem die Spedition weg war. Sagte, sie würde sich mit jemandem auf einen Drink treffen.«
»Mit wem?«
»Im Kalender steht: ›JB - Drink‹.« Er zeigte ihr die Seite, dann verstaute er das Papierbündel ordentlich gefaltet wieder in der Tasche. »Wo sie sich treffen wollten, steht nicht drin. Selina sagt, solche Abkürzungen waren normal, sogar für Geschäftstreffen. Sie sagt, die meisten kennt sie inzwischen, wenn sie etwas mit der Arbeit zu tun haben, aber bei JB klingelt bei ihr gar nichts.«
»Dann war es also privat. Komische Art, ein Büro zu führen.«
»Selina sagt, Greville ist sogar noch schlimmer; es sei unmöglich, ihm auf der Spur zu bleiben. Er kann nicht mit dem Computer umgehen und hat noch einen echten Kalender in der Tasche, den sie ihm von Zeit zu Zeit wegnehmen muss, um die Daten ins System einzufügen, damit sie den Überblick nicht verliert.«
»Klingt sehr nach Steinzeit, aber wahrscheinlich klappt es, weil sie nur zu zweit sind. Was ist mit den Telefonaten?«
»Eine Liste mit den Verbindungen ist unterwegs.«
»Und was hatte Selina noch zu sagen? Wie ich sehen konnte, habt ihr zwei euch ja richtig gut verstanden.«
Minderedes lächelte in sich hinein. »Nettes kleines Mädchen, diese Selina. Sehr hilfsbereit. Aber eigentlich nicht mein Typ.«
»Du hast keinen Typ«, sagte sie mit einem spöttischen Schnauben.
Minderedes zuckte mit den Achseln. »Wie auch immer. Sie hält die Akten bereit, falls wir sie haben wollen, aber sie sagt, sie kann sich nicht vorstellen, dass einer der Kunden Rachel Tenison umbringen würde.«
Donovan stellte ihre Tasse ab und musterte ihn einen Moment lang. Slick Nick. Das war sein Spitzname im Büro, und er schien ihm ganz gut zu gefallen. Er beschrieb ihn jedenfalls ziemlich gut, mit seinen gebleichten Zähnen, der Bräune von
der Sonnenbank und dem feinen Goldkettchen um den Hals, aber eigentlich war er nicht mehr als ein ausgebuffter Weiberheld, und sie staunte immer wieder, wie viele Frauen auf ihn flogen. Wahrscheinlich war ihm dieses Selbstvertrauen in die Wiege gelegt worden. Nicht zum ersten Mal ertappte sie sich bei dem Wunsch, das Leben möge ihm ein paar harte Schläge verpassen; irgendwas, das ihm den einen oder anderen Dämpfer erteilte, obwohl Menschen seines Schlages wie mit Teflon beschichtet waren. Sie beneidete ihn darum, dass ihm jegliche Selbstzweifel fremd waren. Wie einfach musste das Leben doch sein, wenn man sich immer im Recht glaubte.
»Du wirst mit ihr ausgehen, stimmt’s?«, fragte sie. Er antwortete nicht, doch sie bemerkte den trotzigen Zug um seinen Mund, als er seine Kaffeetasse leerte. »Lügen ist zwecklos.« Sie wollte nur hören, dass er es sagte, zusehen, wie ihm die Röte in seine farblosen Wangen stieg, während er ihren Blick mied. »Kannst du nicht einmal anständig sein? Musst du versuchen, jeder Frau, die du vernimmst, an die Wäsche zu gehen?«
Er knallte die Kaffeetasse
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