Wer Böses Tut
klappte das Handy auf. »Ich bin in einer Minute bei Ihnen.«
Es war Nina Turner von der Spurensicherung. »Wir sind jetzt hier fertig«, sagte sie, »aber Sie wollten, dass ich Sie anrufe, wenn ich was Interessantes in der Wohnung finde.«
»Spucken Sie es aus.« Er fror und wollte schnell auf den Punkt kommen.
»Ehrlich gesagt, wäre es mir lieber, Sie würden selber kommen und sich ein Bild machen«, sagte sie ein wenig zögernd. »Ich glaube kaum, dass ich es am Telefon richtig beschreiben kann. Sharon sagte, Sie seien gleich um die Ecke.«
»In Ordnung«, erwiderte er leicht verwirrt. »Ich komme, sobald ich hier fertig bin.«
Das Handy zuklappend, ging er in das Restaurant und überlegte, was das wohl sein mochte, das man am Telefon nicht beschreiben konnte. Das Interieur war spärlich beleuchtet und teuer eingerichtet, mit Clubsesseln in Leder und Bänken in allen denkbaren Brauntönen. Bei näherem Hinsehen bemerkte er, dass die Wände mit Leder verkleidet waren. Ein großer, dünner Ober war damit beschäftig, ein gestärktes weißes Tischtuch über einen der Tische in der vorderen Reihe zu legen, während ein anderer mit einem Tablett voller kleiner, eckiger Vasen, in denen weiße Rosenblüten steckten, umherlief und auf jedem Tisch eine in der Mitte platzierte. Wightman saß auf einem Hocker an der Bar, die ganz in Schwarz und Chrom gehalten war, ein hohes Glas vor sich. So wie er Wightman kannte, war es Cola light. Etwas anderes trank er nie.
Als Tartaglia zu ihm ging, glitt ein kleiner, kahlköpfiger Mann in einem gut geschnittenen dunkelblauen Anzug und mit einer leuchtend malvenfarbenen Krawatte durch die Schwingtür.
»Ich bin Henri Charles«, sagte er mit starkem französischem Akzent und streckte Tartaglia eine dickliche Hand entgegen, begleitet vom schwachen Duft eines zitronigen Eau de Cologne. Er trug einen gepflegten, gut gestutzten schwarzen Bart, der ihm ein finsteres Aussehen gab und seinem fliehenden Kinn Entschlossenheit verlieh.
»Bitte nehmen Sie Platz, Inspector. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
»Ein Glas Mineralwasser wäre wunderbar«, sagte Tartaglia, plötzlich durstig, und setzte sich auf den Hocker neben Wightman.
»Ich habe Mr. Charles bereits erklärt, warum wir hier sind«, sagte Wightman zu Tartaglia, während Charles Eis und eine Scheibe Zitrone in ein hohes Glas löffelte und eine kleine Flasche Perrier aus einem Schrank unter dem Tresen hineinfüllte. »Er hat uns angerufen. Er hatte an dem Abend selbst bedient, als Miss Tenison zum Essen hier war.«
Charles reichte Tartaglia das Wasser. »Ja. Ich habe sie auf dem Foto in der Zeitung erkannt.«
»Und Sie sind sich sicher, dass es letzten Donnerstagabend war?«, fragte Tartaglia und trank einen großen Schluck.
Charles zog die dichten dunklen Brauen hoch. »Natürlich. Lassen Sie mich unser Reservierungsbuch holen, dann können Sie selbst sehen.«
Er kam hinter der Bar hervor und durchquerte den Raum zu einem kleinen Stehpult im vorderen Bereich des Restaurants, von wo er ein großes, ledergebundenes Buch holte. Er kam zurück, schob sich zwischen Tartaglia und Wightman und legte das Buch auf den Tresen vor sich. Er begann, die Seiten durchzublättern.
»Da ist es: letzten Donnerstag, wie ich sagte.« Er fuhr mit einem Wurstfinger die vielen Einträge entlang, bis er zu dem Namen Tenison kam.
»Darf ich die Telefonnummer sehen?«, fragte Wightman. Charles drehte das Buch in seine Richtung, und Wightman machte sich eine Notiz.
»Hier steht, sie haben für 20.30 Uhr reserviert. Um wie viel Uhr sind sie gekommen?«
»Sie kamen zu spät … vielleicht zwanzig Minuten.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
Charles schnippte einen winzigen Krümel vom Ärmel seines Jacketts. »Er sah aus wie ein Geschäftsmann, jedenfalls war das mein Eindruck.«
»Was meinen Sie damit?«
Charles zuckte mit den Schultern. »Er trug Anzug und Krawatte. Er sah aus, als käme er direkt von der Arbeit. Die meisten Menschen hier ziehen sich ein wenig legerer an, wenn sie ausgehen.«
»Abgesehen von seinen Kleidern, können Sie ihn beschreiben?«
»Ich habe ihn nicht besonders gut gesehen. Er saß mit dem Gesicht zum Fenster.«
»Wo genau?«
»Tisch Nummer sieben, da drüben in der Ecke.« Charles drehte sich um und zeigte auf einen kleinen Tisch am Fenster. Er stand etwas abseits von den anderen Tischen in einer kleinen Nische.
»Haben sie um diesen Tisch gebeten?«
Charles kräuselte seine fleischigen Lippen.
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