Wer Böses Tut
auf den Tresen, sodass der Löffel auf der Untertasse klimperte, und funkelte sie an. »Was geht das dich an? Ich darf doch wohl noch ein eigenes Leben haben, oder?«
»Alles, was weiblich ist und sich bewegt, wird gevögelt. Das ist doch dein Motto.«
»Verdammte Scheiße, sie ist über sechzehn. Sie kann selbst entscheiden. Und wie soll ich denn bei unseren Arbeitszeiten ein Mädchen kennenlernen, das keine scheißverklemmte, nervende Polizistin ist? Kannst du mir das sagen?«
»Wie ich das sehe, gelingt es dir doch ganz gut. Du weißt, was Mark dazu sagen wird, wenn er es herausbekommt, oder?«
Bei der Erwähnung von Tartaglias Namen zügelte sich Minderedes. »Wirst es ihm erzählen, wie? Ihm in sein kleines Ohr
flüstern, ganz lauschig, nur ihr beiden? Das ist es doch, was du wirklich willst, oder?«
»Das ist totaler Blödsinn, und das weißt du«, sagte sie wütend und hätte ihn am liebsten geohrfeigt.
»Richtig, was ist mit ihm und dieser rothaarigen Pathologin? Fiona … wie heißt sie gleich? Sie schneidet die Leichen auf, und er darf einen wegstecken. Sehr hübsch.«
»Himmel, bist du pervers. Und überhaupt, das ist Geschichte, nicht, dass es dich irgendwas angeht.«
»Nicht, dass es ihn irgendeinen Scheiß angeht, was ich in meiner Freizeit mache.«
»Das tut es sehr wohl, wenn es etwas mit einem laufenden Fall zu tun hat.«
»Selina ist keine wichtige Zeugin, richtig? Und du hast gut reden. Was ist denn mit dir und -«
Er unterbrach sich abrupt mit halb offenem Mund und starrte sie eine Sekunde lang erschrocken an, ehe er den Mund schloss und den Blick stur aus dem Fenster richtete, als gäbe es da draußen auf der anderen Straßenseite etwas sehr Interessantes zu sehen. Nur seiner Verlegenheit hatte er es zu verdanken, dass sie ihm nicht ins Gesicht schlug.
Er bezog sich auf einen Mann namens Tom, einen Serienmörder, der mehrere junge Mädchen umgebracht und sowohl sie als auch Tartaglia in Lebensgefahr gebracht hatte. Keiner der Kollegen wagte es, ihr gegenüber zu erwähnen, was geschehen war. Aber sie wusste, dass alle hinter ihrem Rücken darüber tuschelten, manchmal anfingen zu flüstern, wenn sie den Raum betrat, oder ihre Gespräche unterbrachen. Herrgott, wie kindisch so ein Haufen Kriminalbeamter sein konnte. Glaubten sie wirklich, sie hätte keine Ahnung, worüber sie redeten? Aber es hatte keinen Sinn, sich deswegen mit Minderedes anzulegen. Er war die Mühe nicht wert. Außerdem plapperte er sowieso nur
nach, was alle dachten. Das Beste war, sie versuchte, es zu ignorieren und ihn nicht merken zu lassen, dass er einen wunden Punkt getroffen hatte.
Plötzlich wurde ihr bewusst, dass es sehr still im Café geworden war. Sie drehte sich um und schaute in einige Gesichter, die sie anstarrten. Sie fragte sich, wie viel sie wohl gehört hatten, schnappte sich ihre Tasche und wandte sich an Minderedes.
»Ich versuche, etwas über das Gedicht herauszubekommen«, sagte sie so unbeteiligt und geschäftsmäßig, wie es ihr möglich war. »Ruf mich an, wenn du mit dem Kunden gesprochen hast.«
Ohne ihm die Gelegenheit zu einer Antwort zu geben, lief sie aus dem Café hinaus in die Kälte.
Sieben
Es war bereits dunkel, als Wightman Tartaglia am späten Nachmittag vor dem La Girolle , einem Restaurant im abgelegenen Teil von Kensington, absetzte und um die Ecke brauste, um einen Parkplatz zu suchen. Rachel Tenisons Name und ihr Foto waren am Vormittag mit einem Aufruf um Hilfe bei der Aufklärung ihrer letzten Schritte an die Presse gegeben worden, und die ersten Anrufe von Menschen, die sie möglicherweise gesehen oder Informationen hatten, waren eingegangen. Besonders einer klang interessant. Der Geschäftsführer des La Girolle hatte angerufen und berichtet, dass Rachel Tenison am Donnerstagabend, dem Abend, bevor sie ermordet wurde, dort mit einem unbekannten Mann gegessen hatte, und da das Lokal ganz in der Nähe ihrer Wohnung lag, hatte Tartaglia beschlossen, dem Hinweis selbst nachzugehen.
Während er auf Wightman wartete, suchte er unter der breiten schwarzen Markise des Restaurants Schutz vor dem kalten Wind und bewunderte die riesigen Designerblumenkübel, die an die Gitterstäbe gekettet und mit Vorhängeschlössern gesichert waren, damit sie nicht gestohlen wurden. Einige Minuten später, gerade in dem Moment, als Tartaglia sein Handy hörte, kam Wightman den Bürgersteig entlanggelaufen. »Suchen Sie den Geschäftsführer«, sagte er zu Wightman und
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