Wer braucht denn schon Liebe
Karen eigentlich aus ganz anderen Gründen ins Gedächtnis gebrannt hatte.
Seine Finger suchten sich den Weg in ihre Jeans, fanden jedoch keinen Platz, weil diese zu eng am Körper saß. Fahrig nestelte er an dem Reißverschluss, bis der nach unten glitt und den Blick auf ihren Slip aus mauvefarbener Spitze freigab.
»Gib mir alles«, feuerte Karen ihn an. Er schaute ein wenig verdutzt, als sie ihm ihr Becken entgegenbog.
»Du bist ja ziemlich scharf heute.«
Ich bin ein Eisschrank.
Probehalber schlüpfte sie mit den Händen unter sein Hemd. Mit einem Ruck riss sie es auseinander, bis die Knöpfe absprangen. Kaum zu fassen. Ein echtes Markenhemd, doch beim geringsten Hauch von Leidenschaft versagte es jämmerlich den Dienst.
Kevins Finger peilten die Stelle in ihrem Schritt an, wo er ihre Klitoris vermutete. Als er dort zu reiben begann, stellte sie nüchtern fest, dass es ihr unangenehm war und brannte.
Karen atmete einmal tief durch und beschloss, dem grausamen Spiel ein Ende zu bereiten.
Das ewige Spiel von Anziehung und Abstoßung, hatte Lorenzo gemeint. Die perfekte Art, sich an Kevin zu rächen.
Bloß jetzt nicht an Lorenzo denken.
»Ich kann es kaum erwarten, dich nackt zu sehen«, hauchte sie Kevin ihren heißen Atem ins Ohr. »Zieh dich schon mal aus. Bin gleich wieder da.« Geschmeidig schlängelte sie sich unter seinem Körper hervor.
Sie wusste genau, wo Kevin seine Handtücher aufbewahrte. Sie wählte die, die ihr am geeignetsten erschienen. Als sie das Schlafzimmer betrat, präsentierte er sich so, wie sie ihn haben wollte – nackt.
Karen kroch zu Kevin aufs Bett und kniete sich über ihn. »Heute probieren wir zwei mal etwas ganz Besonderes aus«, versprach sie ihm, während sie seine Handgelenke nacheinander mit den Handtüchern an das Gitter am Kopfende fesselte.
»Du weißt hoffentlich, dass du ein sehr, sehr böser Junge warst«, fragte sie ihn eindringlich, wobei ihr das erregte Glitzern in seinen Augen nicht entging.
»Weißt du das?«, beharrte sie auf einer Antwort.
Er grinste breit. »O ja, ich weiß«, gestand er, kein bisschen reumütig. Zur Belohnung verband sie ihm auch noch die Augen.
»Ein guter Junge tauscht seine Freundin nicht wie ein altes Möbelstück gegen eine neue aus, habe ich Recht?« Mit der flachen Hand versetzte sie ihm einen leichten Schlag in die Seite. Zu ihrer Genugtuung zuckte er überrascht zusammen.
Hilfe, Karen, du entdeckst gerade deine sadistische Ader.
»Das war unverzeihlich von mir«, bestätigte er pflichtschuldig. Karen ließ ihren Blick zu seinem edelsten Teil wandern. Ohne Zweifel – das Spiel gefiel ihm. Um ihm noch ein wenig mehr Freude zu bereiten, fesselte sie ihn nun auch noch an den Fußgelenken.
»Sag, dass du für dein schäbiges Verhalten eine Strafe verdient hast.«
»Ich habe für mein Verhalten eine Strafe verdient.«
»Für dein schäbiges Verhalten«, korrigierte sie ihn. »Ich habe für mein schäbiges Verhalten eine Strafe verdient.«
Ratsch, ratsch. Der breite Klebestreifen konservierte sein triumphierendes Grinsen für die Ewigkeit.
Kevin fing an, ein wenig zu zappeln, doch Karen ließ sich davon nicht beeindrucken. Auf leisen Sohlen rannte sie hinüber in die Küche, wo sie das Eisfach plünderte. Mit einem Plastikbeutel voll herrlich schockgefrorener Eiswürfel kehrte sie zu ihm zurück.
»Weißt du, Kevin, dass du zur Abwechslung mal lieber mit einer rassigen Schwarzhaarigen als mit mir Rotschopf ins Bett steigen willst, kann ich ja fast noch verstehen. Dass du zwischendurch von Heiraten und großer Liebe faselst, gibt mir zwar zu denken, ist aber verzeihlich. Völlig unverzeihlich aber ist es …« Karen setzte eine kleine Kunstpause. »Na, ahnst du es?«
Kevins Kopfschütteln nahm etwas Verzweifeltes an. Mit viel Interesse beobachtete Karen die winzigen Schweißperlen, die sich auf seiner Oberlippe bildeten.
»Absolut unverzeihlich und eines Gentleman unwürdig hingegen ist es, die Frau, die man gerade ausrangiert, auch noch zu demütigen! Nicht ich bin kalt wie ein Eisschrank, sondern du!« Mit einer schnellen Handbewegung leerte sie die Tüte mit den Eiswürfeln über ihm aus.
Ohne dem armen, sich vor Kälte windenden und laut gurgelnden Kevin noch einen letzten Blick zu gönnen, schnappte sie sich ihre Tasche und ging zur Tür. Ein letzter prüfender Blick in den Spiegel: Bluse, Hose, alles in Ordnung? Da fiel ihr noch etwas ein:
»Ach, übrigens: Es zeugt nicht gerade von außerordentlicher Intelligenz
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