Wer braucht denn schon Liebe
Handbewegung schickte sie ihn weg. »Mir geht’s hervorragend. Wenn man von der gebrochenen Rippe, die mir der Sicherheitsgurt verpasst hat, einmal absieht.«
»Der Airbag war auch nicht von Pappe. Er ist schon so manchem Kind zum Verhängnis geworden«, bestätigte Antonio mitfühlend.
Karen schnaubte vor Wut. »Ich bin vielleicht nicht die Längste, aber bestimmt auch kein Kind mehr!« Wütend schwang sie die Beine aus dem Fahrzeug. Hilfreich sprang Antonio hinzu. Wobei er sich persönlich davon überzeugen konnte, dass sie dem Kindesalter tatsächlich längst entwachsen war.
Kein Wunder, dass Lorenzo diese Frau begehrte. Wenn sie nicht befreundet wären … Antonio dachte diesen Gedanken gar nicht erst zu Ende.
Eine Männerfreundschaft war viel wert, besonders bei Hofe. In einer Welt, in der die Intrigen so blühten wie anderswo die Primeln. Einer Welt, die nach außen Pomp und Glanz ausstrahlte, doch nach innen oftmals vor Kälte erstarrte.
Er war sich nicht sicher, ob er dieser Karen Rohnert tatsächlich gerade einen Gefallen erwies. Doch er kannte seinen Freund lange genug, um zu wissen, dass er diese Frau nicht nur körperlich begehrte, sondern auch von ganzem Herzen liebte. Wahrscheinlich hatte er es sogar eher erkannt als Lorenzo selbst.
Häufig schon hatte sein Freund ihm vorgeworfen, vom Fürsten bevorzugt zu werden. Das stimmte nur bedingt. Sein Vorteil war es, kündigen zu können, wenn ihm etwas nicht passte. Unabhängigkeit verhalf zur geistigen Bewegungsfreiheit. Nicht nur deshalb war es in letzter Zeit zunehmend in Mode gekommen, dass Mitglieder der ältesten Monarchien junge, erfolgreiche, bürgerliche Frauen heirateten.
Frischer Wind gegen alten Mief, wie Antonio es durchaus nicht geringschätzig formulierte.
Diese Karen, die da gerade laut fluchend vor ihm durch den Kuhdung stapfte, schien ihm sogar in der Lage zu sein, einen regelrechten Sturm zu entfachen.
»Ich mache Sie für den Schaden, der mir entstanden ist, haftbar!«, schimpfte Karen. »Glauben Sie nicht, dass Sie mir so davonkommen.« Misstrauisch drehte sie sich zu ihm um. »Was machen Sie eigentlich mitten in der Nacht in meinem Auto? Ich hatte doch abgeschlossen?«
Antonio verzog betreten das Gesicht.
Karen hatte die Straße erreicht und versuchte nun, sich die schwere, stinkende Erde von den Füßen zu schütteln. »Sie sind ein kriminelles Element, wissen Sie das?«
»So direkt hat mir das eigentlich noch niemand gesagt.«
»Dann wird es ja höchste Zeit. Ahnen Sie eigentlich, was ich Ihretwegen durchgemacht habe? Man hat mich an der italienischen Grenze quasi gefangen gehalten. Zwei Tage stand ich unter schärfster Bewachung. Ehrlich gesagt, verstehe ich bis heute nicht, wieso die mich trotz der gefälschten Papiere haben gehen lassen.«
»Freuen Sie sich doch einfach.« Wie sollte Antonio ihr auch erklären, dass es sich bei den angeblich gefälschten Papieren um echte Ersatzdokumente handelte?
Noch hatte er ein Inkognito zu wahren.
»Also doch! Bestechung! Die Mafia hat ihre Finger wohl überall drin.«
Diesmal verzog Antonio gequält das Gesicht. »Bitte tun Sie mir den Gefallen und benutzen Sie dieses M-Wort nicht ständig. Es ist nicht gerade ein Adelsprädikat, und wenn es die falschen Leute zu hören bekommen …« Den Rest des Satzes ließ er vielsagend offen.
»Verstehe.« Karen gab es auf, ihre Schuhe zu säubern. Sie machte Anstalten, barfuss weiterzulaufen. Doch im nächsten Moment fand sie sich auf Antonios Armen wieder.
Verblüfft sah sie ihn an. »Und nun?«
»Jetzt sorge ich dafür, dass Sie so schnell wie möglich nach Hause kommen, damit Sie noch Zeit haben, Ihre Koffer zu packen.« Tatsächlich verfiel er in leichten Trab.
Resigniert schlang Karen ihm die Arme um den Hals. Sie gab es auf. Die Geheimnisse dieses Tages waren einfach nicht zu entschlüsseln. Mit ihrer Großmutter verkracht, von ihrem Chef gekündigt, mit Kevin entzweit. An die gründlich misslungene Racheaktion wollte sie nicht mehr erinnert werden. Und nun also im Trab auf Antonios Armen zurück zu ihrer Großmutter, wo sie sofort wieder ihre Koffer packen sollte.
»Sagen Sie mir einfach, was Sie mit mir vorhaben. Von alleine komme ich sowieso nicht drauf.« Antonio schenkte ihr ein warmes Lächeln, bei dem sie sich seltsamerweise sofort geborgen fühlte.
Anders als in Lorenzos Armen. Ohne dieses Prickeln.
Aber geborgen. Und in einer solchen Nacht war das doch schon eine ganze Menge wert.
»Ich habe Erkundigungen über Sie
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