Wer braucht schon Liebe
Notfall.«
Es klingelt weiter. Ich schiebe es zu ihm rüber. Er nimmt es mit einer Hand, weil er mich mit der anderen weiter in den Wahnsinn treibt. Er meldet sich. Und sein Gesicht versteinert.
Jetzt wäre kein günstiger Zeitpunkt, falls das ein Notfall ist.
Er sagt jemandem, dass er schon unterwegs ist, und legt auf. Dann sieht er mich an.
» Bobby hat sich beim Hockeyspielen verletzt.«
» Oh nein.« Ich fühle mich schrecklich.
Er fährt zu schnell. Parkt da, wo er nicht sollte. Und rennt aufs Feld. Bobby sitzt auf der Spielerbank und drückt einen Eisbeutel auf seine Hand. Die Mum eines anderen Spielers ist bei ihm.
» Es ist sein Daumen«, sagt sie. Dann leiser: » Sieht nicht gut aus.«
David setzt sich neben Bobby. Ich halte mich im Hintergrund, lasse sie allein.
» Geht es dir gut, Kumpel?«
Bobby nimmt den Eisbeutel weg, um ihm seine Verletzung zu zeigen. Sein Daumen sieht merkwürdig aus. » Ich habe nicht geweint. Es hat echt wehgetan, aber ich habe nicht geweint.«
» Was ist passiert?«
» Siehst du das Arschloch da drüben?« Ich muss mich zwingen, nicht zu lachen. » Er hat mich mit seinem Schläger getroffen.«
Der Trainer kommt rüber. » Ihr solltet das röntgen lassen.«
» Ja klar, danke«, sagt David. » Komm, Bobby, wir gehen.«
Auf dem Weg zum Auto dreht David sich zu mir um. » Ich setze dich zu Hause ab.«
» Nein. Ich komme mit.« Ich bin lieber mit David in der Notaufnahme als ohne ihn zu Hause.
» Es dauert wahrscheinlich ewig.«
» Das ist schon okay.«
Bobby sitzt vorn, schweigt und untersucht mit hängendem Kopf seine Verletzung. Niemand sagt etwas. Wir brauchen fast eine Stunde bis zur anderen Seite der Stadt. Die Notaufnahme ist rappelvoll, als wir dort ankommen. Und es dauert lange, bis Bobby überhaupt zu einer ersten Untersuchung vorgelassen wird.
» Bist du der nächste Angehörige?«, fragt eine Krankenschwester David.
» Na ja, das wäre unser Dad, aber der ist auf Geschäftsreise, also ja.«
Sie notiert etwas, dann fragt sie Bobby: » Wer passt denn auf dich auf, während dein Dad weg ist?«
David strafft die Schultern. » Ich bin siebzehn. Meine Schwester neunzehn. Gibt es ein Problem?«
» Nein. Kein Problem«, sagt sie und wird rot.
» Können Sie ihm etwas gegen die Schmerzen geben?«, fragt David.
» Natürlich. Ich wollte ihm gerade etwas holen.« Sie klingt abwehrend. Dann verschwindet sie.
Bobby sieht zu David auf.
» Magst du sie nicht?«, fragt er.
Und jetzt verstehe ich. Wie wichtig David für ihn ist. Was David sagt, ist richtig. Wenn er die Krankenschwester okay findet, wird Bobby es auch tun. Wenn nicht, dann hat die Krankenschwester eben Pech gehabt. Ich sehe Bob an. Und sehe einen kleinen David. Er trägt Klamotten von Billabong. Genau wie David. Seine Haare sind zu einer Igelfrisur gestylt. Genau wie bei David. Sogar seine Körperhaltung gleicht der von David.
» Sie ist in Ordnung«, sagt David.
Bobby nickt.
Die Krankenschwester kommt mit dem Medikament zurück. Dann geht es hoch zum Röntgen. Die Schlange hier ist noch länger, aber es geht schneller vorwärts. Im Fernsehen läuft SpongeBob.
» Solltest du nicht deinen Dad anrufen oder so?«, frage ich.
» Später, wenn wir wissen, ob der Daumen gebrochen ist«, sagt er.
Das macht Sinn. Warum soll sein Dad sich Sorgen machen, wenn er nicht gebrochen ist?
» Meine Beine schwitzen«, sagt Bobby.
David nimmt ihm die Schienbeinschoner ab.
» Ich muss aufs Klo.«
David sucht ihm eins.
Bobby gegenüber verhält er sich wie ein Vater. Besser noch: wie ein guter Vater. Nichts ist ihm zu viel. Er versucht, ihm alles so leicht zu machen wie möglich.
Der Daumen ist gebrochen. Also zurück in die Notaufnahme, wo der Daumen nach weiterem Warten fest verbunden wird und wir schließlich gehen dürfen. Bobby wird noch mal kommen müssen, um einen Gipsverband zu kriegen. Die Wunder des irischen Gesundheitssystems.
Wieder bei ihnen zu Hause, übernimmt ihre Schwester Romy. Sie sorgt dafür, dass Bobby etwas isst, und macht es ihm auf der Couch mit Kissen, einer Decke und einer DVD gemütlich. David ruft seinen Dad an, dann fährt er mich heim.
» Tut mir leid«, sagt er. Und ich höre, wie erschöpft er ist.
» Es ist doch nicht deine Schuld.« Ich sehe ihn an. » Macht es dir was aus, dass du so viel Verantwortung hast?«
Er zuckt die Schultern. » Wenn es Bobby nicht gäbe, würde ich wahrscheinlich immer noch in der Ecke liegen und mich selbst bemitleiden.«
Ich weiß, was er
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