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Wer braucht schon Zauberfarben?

Wer braucht schon Zauberfarben?

Titel: Wer braucht schon Zauberfarben? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Lu Pera
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versuchen. Kelten eben.
    Gleich neben dem Turm des Grauens, wie ich ihn liebevoll nenne, befindet sich das Hauptquartier der Inquisition, in dem der schwarze Orden stationiert ist.
    Gilleans Zimmer liegt im obersten Stockwerk – das hat mein Rabe für mich ausgekundschaftet.
    In dem Kathedralen-ähnlichen Gebäude brennen kaum noch Lichter. Liegt vielleicht auch daran, dass es bereits ein Uhr morgens ist – die schlafen sicher alle.
    Zum Schutz vor Eindringlingen haben sie Efeuranken an der Fassade emporwachsen lassen. Naja, schwarze Hexen hält das fern – weiße eher nicht. Gut, dass ich beide Magien in mir trage. So ein Pech aber auch.
    Die Türen, die ins Gebäude führen, sind allesamt verschlossen. Mein Zauber, mit dem ich sie aufbrechen will, wirkt nicht. Toll. Was hatte ich erwartet, dass ich so mir nichts dir nichts mal eben als Hexe ins Inquisitionslager stapfe?
    Kurzerhand probiere ich es auf einem anderen Weg – nämlich dem direkten Weg nach oben. Nein das ist kein Scherz – ich hab echt vor, hochzuklettern. Was soll ich sagen, das kommt dabei raus, wenn ich improvisiere.
    Die grusligen Steinfratzen an der Außenfassade dienen mir als Aufstiegshilfe. Vorsichtshalber hab ich mich unsichtbar gehext. Hoffentlich tragen nicht alle Inquisitionsleute Amulette, sonst wird das hier spannend.
    Das Efeu brennt an meinen Händen wie Feuer, aber ich beiße die Zähne zusammen. Schließlich dient das hier einem höheren Zweck.
    Wow, das ist ganz schön hoch. Ich zwinge mich dazu, nicht runterzukucken, was gar nicht so einfach ist.
    Oben angekommen lasse ich mich über die Brüstung der Terrasse fallen und versuche, zu Atem zu kommen. Das war anstrengender, als ich gedacht hätte. Die Zeit im Tower hat wohl Spuren hinterlassen.
    Über Gilleans Wohneinheit, in der noch Licht brennt, ragt ein spitzer Turm in den Himmel.
    Ich kratze das letzte bisschen Mut zusammen und trete ans Terrassenfenster heran.
    Gillean sitzt am Schreibtisch und brütet über irgendwelchen Papieren. Dabei sieht er ziemlich konzentriert aus.
    Wie reagiert er wohl, wenn ich einfach an seine Fensterscheibe klopfe? Ich frage mich, ob er mich reinlassen würde. Der Gedanke, er könnte glauben, ich sei am Scheiterhaufen verbrannt, lässt mich zögern. Womöglich verpasse ich ihm hier den Schock seines Lebens. Schätze, da muss er jetzt durch.
    Obwohl ich Angst davor habe, klopfe ich im nächsten Augenblick. Blitzschnell schießt er vom Stuhl hoch. Zu sagen, er sehe verblüfft aus, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts.
    Ich winke scheu. Gillean ist sichtlich in der Zwickmühle, wie er darauf reagieren soll.
    Sein Hemd steht offen und entblößt eine muskulöse Brust, die mich zugegebenermaßen gerade etwas von meinem Vorhaben ablenkt. Um seinen Hals baumelt ein Amulett. Da haben wir also den Übeltäter, der ihn vor meinen Zaubern schützt.
    Vorsichtshalber stoße ich ein: „Ich komme in Frieden“ aus, bevor er auf die Idee kommt, Alarm zu schlagen. Im nächsten Moment will ich die Worte wieder rückgängig machen. Ich hab das nicht gerade echt gesagt. Also, ich an seiner Stelle würde mich nicht reinlassen.
    Gillean hat die Schrecksekunde augenscheinlich überwunden, schnürt sein Hemd zu und tritt ans Fenster heran.
    „Wie bist du hier heraufgekommen?“, ertönen seine, durch die Scheibe gedämpften, Laute.
    Ich lächle. „Ich bin auf meinem Besen heraufgeflogen“, spotte ich. Die Antwort war irgendwie aufgelegt.
    Die Information bereitet ihm offensichtlich Unbehagen. Schnell ergänze ich: „Das war ein Scherz. Bin raufgeklettert. Ich hab gar keinen Besen. Obwohl es toll wäre, fliegen zu können.“ Was rede ich hier eigentlich?
    Gillean rauft sich die Haare. „Was willst du hier? Bist du lebensmüde?“, raunt er wild.
    „Ich will wissen, warum du mir geholfen hast“, gestehe ich.
    „Und du willst sicher, dass ich dich hereinlasse, damit mich deine Hexenfreunde überwältigen und töten können“, mutmaßt er.
    „Meine Familie weiß nicht, dass ich bei dir bin. Mein Vater würde mich vermutlich umbringen. Hab mich aus der Burg geschlichen. Und wenn du mich nicht reinlassen willst, würd ich das verstehen“, informiere ich ihn.
    „Das ist ein Trick, du willst mich täuschen“, prustet er ungehalten.
    „Ich will nur mit dir reden Gillean, nichts weiter.“ Erschöpft reibe ich mir die Stirn. Der Aufstieg war anstrengender, als ich dachte. Ich muss echt wieder trainieren.
    „Was ist mit deinen Händen passiert?“, will er

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