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Wer den Himmel berührt

Wer den Himmel berührt

Titel: Wer den Himmel berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Bickmore
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und stellte sich vor, wie es wohl sein würde.
    »Weißt du, Schwester Grace ist viel hübscher als Schwester Claire. Warum fragst du ihn nicht nach ihr? Ich habe selbst schon gehört, daß du gesagt hast, sie sei eine gute Krankenschwester.«
    »Aber Schwester Claire wird viel eher eigene Entscheidungen treffen, und wenn es darum geht, kleinere Eingriffe vorzunehmen, ist sie unschlagbar. Ich würde ihr eine Blinddarmoperation und erst recht Geburtshilfe zutrauen …« Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, daß niemand, den sie kannte, im nächsten Monat ein Kind erwartete. »Schwester Grace ist viel niedlicher.«
     
    Es schien, als sei die ganze Stadt zu Isabel Adams’ Begräbnis erschienen. Chris stand wie eine Statue da und hielt den Arm ausgestreckt, um jedem der Trauergäste die Hand zu schütteln.
    Cassie saß in der hintersten Reihe der Kirche. All diese anderen Menschen waren seine Patienten. Sie hatte mit ihnen nur als Freunden und Bekannten zu tun. Freunde. Sie vermutete, daß sie vielleicht in der ganzen Stadt keine wahren Freunde hatte. Das war nicht der Ort, an dem sie Menschen kennenlernte.
    Wer waren ihre Freunde?
    Horrie? Sie nahm an, daß Horrie ein Freund war, obwohl sie nie über etwas anderes als das Berufliche miteinander redeten. Sie und Sam hatten ein paarmal mit Betty und ihm in der Funkzentrale zu Abend gegessen; die beiden waren immer tatkräftig und freundlich, aber sie waren doch eher Bekannte als Freunde. Dennoch fühlte sich Cassie Horrie verwandt und hatte ihm gegenüber ein Gefühl von Nähe, das sie nicht definieren konnte – vielleicht kam es daher, daß sie soviel mit ihm zu tun hatte.
    Mit Sicherheit Don.
    Sam. War Sam ein Freund? Wenn sie nicht zusammen gearbeitet hätten, wären sie dann miteinander befreundet gewesen? Fest stand, daß auf keinen anderen Menschen auf Erden in einer Zusammenarbeit mehr Verlaß gewesen wäre als auf ihn – jedenfalls die meiste Zeit. Nie hatte er ihr etwas ausgeschlagen, worum sie ihn gebeten hatte, und dazu gehörten auch die Anästhesie und sogar der Speer, den er aus dem Rücken des Schwarzen gezogen hatte. Bei den wenigen Reibereien, die sie miteinander gehabt hatten, war es um die Wetterverhältnisse gegangen und inwieweit es ratsam war hinauszufliegen. Er versuchte abwechselnd, sie zu beschützen und sich gegen ihre Autorität aufzulehnen. Wahrscheinlich wußte sie deshalb nicht, wie sie zu Sam stand, weil sie nicht wußte, wie er zu ihr stand. Vielleicht wußte er das selbst nicht.
    An Chris Adams konnte sie sich schon gar nicht halten. Sie glaubte nicht, daß sie ihn auch nur mochte, obwohl sie mit der Zeit begonnen hatte, großes Vertrauen in seine chirurgischen Fähigkeiten zu setzen. Er behandelte sie nicht mehr herablassend, obwohl es ihm lieber gewesen wäre, wenn sie ein Mann gewesen wäre. Oder wenn sie nicht zu den Fliegenden Ärzten gehört hätte. Chris konnte sie unter gar keinen Umständen als Freund bezeichnen. Sie hatten einen unerklärten Waffenstillstand miteinander geschlossen, und sie konnte sich vorstellen, daß er für ihre Freundlichkeit gegenüber Isabel dankbar war.
    Sie sah sich auf den Kirchenbänken der randvollen presbyterianischen Kirche um. Sie kannte fast alle. Die Leute nickten ihr zu, kamen zu ihr, um ihr die Hand zu drücken, oder beugten sich vor, um sie auf die Wange zu küssen. Wenigstens hatte sie eine ganze Menge Bekannte.
    Als das Zeremoniell vorbei war und die Leute an dem Sarg vorbeimarschiert waren, um Chris die Hand zu drücken, flüsterte Sam ihr ins Ohr: »Falls wir einander noch kennen sollten, wenn ich sterbe, dann laß nicht zu, daß sie mich in einem offenen Sarg aufbahren, ja?«
    Als Cassie auf Chris zuging, nahm er ihre Hand und hielt sie fest umklammert. »Ich habe mich nie angemessen bei dir dafür bedankt …«
    »Ich habe es gern getan«, sagte sie.
    »Ein paar Freunde kommen noch zum Kaffee mit ins Haus. Kämest du bitte auch? Ich möchte dich gern Romla vorstellen, meiner Schwester.«
    Es kostete Cassie Mühe, den Mund nicht vor Erstaunen aufzusperren. »Ja, selbstverständlich.«
     
    Als um elf Uhr die letzten Gäste gingen, sagte Chris: »Geh noch nicht. Ich will nicht allein sein.«
    Romla, die Cassie auf Anhieb gefallen hatte, war ins Bett gegangen.
    Chris war angetrunken, stellte Cassie fest. Er mußte den ganzen Abend über getrunken haben. Er nuschelte leicht, als er in die Küche ging, sich an den Tisch setzte, sein Hemd am Hals aufriß und seine Krawatte

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